Verwechseljahre: Roman (German Edition)
Schuh«, musste Rikki partout das letzte Wort haben. »Ein Kind wird draus.«
Und damit war das Thema erledigt.
Wir Mädels streichelten Mohairs Köpfchen und waren ganz außer uns vor Entzücken.
»Süüüüß!«
»Oh, diese Bäckchen!«
»Und diese Fingerchen!«
Dies schien mir der passende Moment zu sein, meinen eigenen Beitrag anzumoderieren.
»Mädels«, sagte ich und ließ den Prosecco-Korken knallen. Meine Finger zitterten vor Aufregung, und ich spürte, wie meine Halsschlagader pulsierte. »Ich hab euch auch etwas Wichtiges zu sagen. Also …« Ich räusperte mir einen Kloß von der Kehle. »Ich habe am Samstag aus heiterem Himmel einen Anruf aus Hamburg bekommen und dachte, das ist jemand aus der Abo-Abteilung vom Stern …«
Die Türglocke ging. Jemand betrat den Empfangsraum. Kundschaft. Mist!
»Geh du!«, sagte Sonja und scheuchte ihre Tochter Vivian hinaus. »Ich sehe scheiße aus.«
»Also so wie immer«, murmelte Vivian pietätslos, verdrehte die Augen und knallte die Schere auf die Fensterbank.
Man musste Vivian allerdings zugutehalten, dass Sonja ständig behauptete, scheiße auszusehen, nur damit sie von uns das Gegenteil hörte. Ein klarer Fall von Fishing for compliments . Sonja griff dankbar nach dem Prosecco-Glas.
»Prösterchen«, sagte Billi aufmunternd.
»Stößchen«, sagte Sonja. Und zu mir: »Sei froh, dass du keine Kinder hast.«
Ich atmete tief ein und blies die Backen auf. Gleich würde ich platzen.
»Ja, obwohl ich sie alle liebe wie Sahnepudding – manchmal könnte ich sie an die Wand klatschen«, sagte Billi. »Und dieses hier liebe ich wie Schokopudding«, fügte sie schelmisch hinzu. »Euch darf ich das ja sagen. Rikki würde mich steinigen.«
»Na ja, …« Ich hatte ganz rote Wangen vor Aufregung und trank mir schnell noch etwas Mut an, bevor ich endlich die Bombe platzen ließ. »Wie gesagt, das Leben ist voller Überraschungen …«
In dem Moment begann Sonja erneut zu schluchzen.
»Mein Leben hat nur böse Überraschungen für mich parat!« Sie zog an ihren Strähnen. »Alles läuft schief!«
Das war doch nicht zu fassen! Ich kam mit meiner Geschichte einfach nicht zu Wort. Während Vivian draußen mit einem männlichen Fitnessfreak verhandelte, diskutierten wir weiter über den Zustand von Sonjas Haaren, der ja das Allerwichtigste hier im Raum war.
»Ihr wisst, wie sehr mich Holger verletzt hat«, wimmerte sie. »Ich fühle mich so wertlos!«
»Aber das bist du nicht, Liebes!«
»Meine Mutter hat immer gesagt, ich kann nichts, ich bin nichts, ich werde es nie zu was bringen, und ich kann auch keinen Mann halten!«
»Man muss einen Mann überhaupt nicht halten«, sagte Billi. »Man kann Hunde halten. Oder Katzen.«
»Oder Pferde«, sagte ich. »Männer muss man ziehen lassen.« (Ich hatte gut reden.)
»Im Ballett war ich die Beste«, schluchzte Sonja. »Aber meine Mutter hat immer gesagt, bilde dir bloß nicht ein, dass du tanzen kannst!«
»Aber Sonja!« Wir strichen der Verzweifelten über den Kopf. »Du bist großartig! Du bist so vielseitig begabt!«
»Bin ich nicht! Ich kann nichts, ich bin nichts, und nun werde ich auch noch alt!«
»Quatsch! Keine von uns ist so jung und knackig wie du!« Außer Vivian natürlich, hinter den sieben Bergen, bei den sieben Zwergen. Aber das erwähnten wir lieber nicht.
»Und warum hat mich Holger dann verlassen?« Sonja war tränenüberströmt. Ihre schwarze Wimperntusche bildete ein trauriges Rinnsal, lief über ihre fleckigen Wangen und tropfte ihr vom Kinn. Sie sah wirklich mitleiderregend aus.
Vivian kam wieder rein: »Manni Adler. Mama, du bist mit ihm verabredet.«
»Oh, Scheiße, Scheiße, Scheiße!«, heulte Sonja laut auf und hieb mit der Faust auf die Bank.
Das Baby mit schwarzafrikanischen Wurzeln fing an zu weinen.
»Mohairlein, jetzt wein doch nicht! Die Oma ist doch bei dir!«, flötete Billi.
»Das ist der neue Fitnesstrainer, den ich eingestellt habe«, wimmerte Sonja. »Der soll hier das Image aufpolieren!«
»Aber Mama! Jetzt beruhige dich doch! Wir kriegen das mit den Haaren wieder hin!« Vivian setzte sich kaugummikauend neben ihre Mutter und bot ihr erneut die Schere an.
Anscheinend war ich die Einzige, die gerade abkömmlich war. So professionell wie möglich trat ich dem neuen Trainer gegen über. Er stand am Empfangstresen und hatte mir den Rücken zugekehrt. Ein gut gestähltes Muskelpaket. Der Name Manni passte zu ihm. Ein echtes Mannsbild. Als er sich umdrehte, zuckte ich
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