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Verwechseljahre: Roman (German Edition)

Verwechseljahre: Roman (German Edition)

Titel: Verwechseljahre: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind
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zusammen. Mir war, als hätte ich ihn schon mal irgendwo gesehen. Ich starrte ihn ein Spur zu lange an. Er sah nur so … umwerfend gut aus. Ein junger Kerl, Ende zwanzig vielleicht. Er strahlte ein gesundes Selbstbewusstsein aus, woraufhin ich mich automatisch in ein graues Mäuschen verwandelte. Ach, diese jungen Leute!, dachte ich wehmütig. Die strotzen nur so vor Selbstbewusstsein. Genau wie Vivian. Keiner hat denen je das Wort verboten. Geschweige denn den Hintern verhauen. (Mutter würde sagen, »eins hinter die Löffel gegeben«.) Er checkte mich in Sekundenbruchteilen ab. Ich war mir in meinem ganzen Leben noch nie so alt vorgekommen. Er hatte extrem blonde kurze Haare. Seine strahlend blauen Augen wirkten fast unwirklich. Damit fixierte er mich wie ein Adler. Ich räusperte mir einen Kloß von den Stimmbändern.
    »Hallo. Ich bin Carin Bergmann, eine Freundin des Hauses.«
    »Manni«, sagte der neue Trainer.
    Ich starrte ihn mit offenem Mund an. So Trainer duzte man gleich?
    »Manni Adler.«
    Ich konnte meinen Blick nicht von ihm abwenden. Doch dann riss ich mich zusammen. »Tut mir leid, aber Frau König ist gerade beschäftigt.« (Mit sich. Wie immer.)
    Ah! Jetzt wusste ich, wem er ähnlich sah! Sascha Hehn! Dem jungen Assistenzarzt aus der Schwarzwaldklinik! (Den kannten natürlich nur noch wir alten Tanten.)
    Manni Adler schüttelte meine Hand und sah mich etwas zu durchdringend an. Er hatte etwas an sich, das mich beunruhigte.
    Ich wollte mich in ein Loch verkriechen, spürte aber meine Hormone Tango tanzen. Hallo? Ich war doch nicht Lernschwester Elke! Leider. Ich war sicher zwanzig Jahre älter.
    Ich entzog ihm meine Hand.
    »Die Chefin hat gerade eine Krise.«
    Oh. Das kam ganz missverständlich rüber. Umschwenken, dachte ich, umschwenken! Wie mache ich das jetzt bloß? Eine Kurskorrektur. Aber subtil, damit er nichts merkt.
    Der Trainer stutzte. »Was denn für eine Krise?«
    »Eine Sinnkrise, Lebenskrise.« Ach, zur Hölle damit. Ich war eine Frau. Und er war alt genug, das zu verstehen. »Eine Frisurenkrise, um ehrlich zu sein.«
    Manni Adlers Mundwinkel zuckten spöttisch. O Gott, ich hatte schon einen leichten Schwips. Wieso wollte ich diesem Trainer gefallen? Flirtete ich etwa mit ihm? Ich hatte doch gar keine Chance gegen Vivian und Sonja. Auf einmal kam ich mir entsetzlich albern vor.
    »Wir feiern gerade die Ankunft eines neuen Erdenbürgers«, faselte ich gegen meine Unsicherheit. »Eine von uns ist gerade Großmutter geworden.« Gott, wie altbacken. Jetzt wurde ich auch noch rot.
    »Ach ja?«
    Des Trainers unglaublich blaue Augen flackerten leicht. Ich bekam weiche Knie. Plötzlich wurden mir seine dunklen Haarwurzeln bewusst. Er hatte gefärbte Haare. (War er schwul?) Wie hätte Rikki gesagt? »Scheiß dich nicht an, Mama!« Oder Vivian: »Ist doch geil!« Das konnte ja heiter werden. Ich wollte irgend was Unbekümmertes, Keckes sagen, aber mir fiel nichts ein. Ach, das war doch gar nicht meine Aufgabe! Sollte Vivian ihn doch bezirzen oder Sonja, wenn es ihr besser ging! Ich straffte mich. Man sollte meinen, dass ich nach achtzehn Jahren als Bibliothekarin souveräner mit einem neuen Mitarbeiter umgehen konnte. Wobei sich bei uns noch nie so ein stählerner Jüngling beworben hatte. Der letzte Neuzugang war eine ältliche Dame namens Fräulein Dünnbügel gewesen, die ehrenamtlich bei uns arbeitete und einen Dutt hatte.
    »Ich darf Sie schon mal mit den Räumlichkeiten vertraut machen?«
    Manni Adler lächelte mich auf einmal so charmant an, dass ich den Blick senken musste. »Aber gern! Ich folge Ihnen unauffällig.«
    Was technisch gar nicht machbar war. Der und unauffällig! Zögernd drehte ich mich um. Diese extrem blauen Augen! Dieses braun gebrannte Gesicht! Da sah verdächtig nach Sonnenstudio aus! Fehlte nur noch ein Ring im Ohr. Dieses künstliche Blond. Bestimmt hatte er irgendwo eine zweideutige Tätowierung. Vivian würde sagen: »Der Mann ist der Hammer!« (Und Sonja: »Muskel- und Samenstränge.«)
    »Bitte!«, sagte ich. »Nach Ihnen.« Ich wollte lieber hinter ihm gehen als umgekehrt. Während ich ihm die Räume zeigte, fragte ich ihn ein bisschen aus. Er stamme aus Düsseldorf, habe aber lange in Kanada gelebt. Dort habe er an Wettrennen in Hochhaustreppenhäusern teilgenommen. Ab fünfzig Stockwerken werde es für ihn interessant. Wer als Erster oben sei, habe gewonnen. Dann renne man um die Wette wieder hinunter, was schwierig sei, weil die meisten noch aufwärts

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