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Verwechseljahre: Roman (German Edition)

Verwechseljahre: Roman (German Edition)

Titel: Verwechseljahre: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind
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einen Sinn gehabt!«
    »Ach, Mutter!« Jetzt musste ich aber lachen. »Warum hätte ich denn mit dem telefonieren sollen, wo er doch ständig bei uns über der Balkonmauer hängt?«
    »Tja?« sagte Mutter keck. »Moderne Kommunikation?«
    Ach, sie war schon rührend in ihrer Hoffnung, mich in den sicheren Ehehafen schicken zu können! Offensichtlich hatte sie sich vorgenommen, nicht eher zu sterben, bis die Hochzeitsglocken geläutet hatten. Aber da würde sie so alt werden müssen wie Methusalem. (Wie alt war der eigentlich?)
    »Al-so«, sagte ich und drückte Mutters Hand fest an mein heftig klopfendes Herz. »Ich habe gerade mit MEINEM SOHN telefoniert.«
    Sie starrte mich an. »Mit Oliver?«
    »Ja. Mit Oliver. Er heißt jetzt Roman.«
    »Er hat dich also gefunden.«
    »Ja.« Ich strahlte.
    »Nach so langer Zeit.«
    Also, begeistert war sie nicht. Eher reserviert. Das konnte aber auch an den vielen Schmerzmitteln liegen, die man ihr verabreicht hatte.
    »Wie geht es ihm?«
    »Es geht ihm unverschämt gut, Mutter.« Ich berichtete ihr, welchen Luxus er mit seinen schwerreichen Eltern genossen hatte. Mehr wusste ich ja auch noch nicht.
    »Trefft ihr euch?«
    »Sobald er sich wieder gemeldet hat.«
    »Dann grüß ihn schön.«
    »Willst du ihn denn gar nicht sehen?« Überrascht wich ich ein Stück zurück.
    »Nein, lieber nicht.«
    »Aber warum denn nicht?«
    »Ich möchte ihn so in Erinnerung behalten, wie er war.«
    »Aber Mutter, er war ein Baby! Und jetzt ist er ein erwachsener Mann!«
    »Eben«, sagte Mutter. »Drum.« Damit war das Thema für sie erledigt.
    Am übernächsten Tag ging in Hamburg endlich jemand ans Telefon. Ich hatte die Nummer nun schon so oft gewählt, dass ich sie im Schlaf vorwärts und rückwärts konnte.
    »Sekretariat Roman Stiller, Sabine Stöcker am Apparat?«
    »Frau Stöcker! Endlich! Wo waren Sie denn?!«, schrie ich die arme Frau erleichtert an.
    »Ich hatte Urlaub«, schallte es pikiert aus dem Hörer. »Und bin auch heute auch nur aushilfsweise da.«
    »Entschuldigung, ich suche ja auch nur ganz dringend meinen Sooo…genannten Gesprächspartner von Samstag, Herrn Stiller.«
    Pause. Es knackte in der Leitung. Schließlich erwiderte sie norddeutsch-kühl: »Der ist auf Geschäftsreise.«
    »Oh.« Ich schluckte. Das hätte er mir bestimmt alles noch gesagt, wenn ich nicht so voreilig aufgelegt hätte.
    »Ähm – wohin ist er denn gereist?«
    »Ins Ausland.«
    »Natürlich.« (Wenn sie jetzt gesagt hätte ›Nach Butterblum‹, hätte ich den Hörer geküsst! Aber das war leider nicht der Fall.) »Und wann kommt er wieder?«
    »Wer sind Sie denn?«, kam es spitz zurück.
    »Ich bitte nochmals um Entschuldigung«, sagte ich schnell und schickte einen kleinen Lacher hinterher. »Ich weiß heute wirklich nicht, wo meine Manieren sind. Ich habe mich noch gar nicht vorgestellt. Carin Bergmann. Ich bin seine Mu …« Oh. Lieber nicht. Ich biss mir auf die Zunge.
    »Seine Muh?«
    »Seine Muse.« Gott, das war mir jetzt einfach so rausgerutscht. Wie erstarrt saß ich da. Ich hätte vor Verlegenheit im Boden versinken können.
    »Seit wann braucht Roman eine Muse? – Obwohl, dem ist alles zuzutrauen!«
    »Nein, Spaß. Quatsch. Ich bin eine alte Bekannte.« (Das war nicht gelogen.)
    »Und was darf ich ausrichten?« Es klang wirklich sehr kühl. Fast schon spöttisch.
    »Dass ich DRINGEND auf seinen Rückruf warte!«
    »In welcher Angelegenheit?«
    »Das ist privat.«
    »Herr Stiller ist auf einer mehrwöchigen Dienstreise im Ausland. Mehr kann ich Ihnen dazu nicht sagen.«
    »Danke, liebe Frau Stöcker. Wie kann er denn JETZT ins Ausland fahren?«
    »Wieso denn NICHT jetzt?«
    »Ich meine, er erwartet doch sein drittes Kind?«
    »Seine Frau erwartet ihr drittes Kind. Er selbst ist nicht schwanger«, zickte Frau Stöcker mich an. Ich war ganz verdattert. Mann, war das eine blöde Kuh!
    »Bitte seien Sie doch so nett, und richten Sie ihm meine Nummern aus.« Ich lächelte am Telefon, um noch freundlicher zu klingen. War das demütigend, so devot zu sein! Obwohl sich die Vorzimmerzicke unwillig zeigte und versicherte, selbst keinen Kontakt zu ihm zu haben, fand ich noch ein paar Dinge über ihn heraus. Anscheinend begleitete er mit einem Kamerateam eine Gruppe junger Leute bei einer Extremsportexpedition in die Arktis. Es sollte eine Fernsehdokumentation über ein paar Wagemutige (oder Durchgeknallte) geben, die über das ewige Eis zum Nordpol kiteten oder so was. Ich fragte, was »Kiten« sei.

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