Verwechseljahre: Roman (German Edition)
äußern. Ich glaube, der steckt richtig tief in der Scheiße.«
»Hm, das gibt mir zu denken. Mich hat er nämlich auffallend oft nach dem Wert meines Fitnesscenters gefragt …«
» WAAAAS? «
»Ja, ich dachte, er will sich beteiligen. Er hat von groß anbauen, ausbauen, modernisieren und einem Kredit geredet.«
»Ich habe auch gedacht, er will investieren«, sagte Vivian. Ihr sonst so strahlendes Lächeln war völlig verschwunden. »Und warum ist er eigentlich so plötzlich abgehauen?«
Eine Weile sagte niemand etwas. Wir hörten nur Mohairs zufriedenes Schmatzen, die im Schlaf an ihrem Schnuller nuckelte.
»Also abgesehen davon, dass er dringend Geld braucht …« Ich sah bedauernd in die Runde. »Er ist verheiratet und erwartet jeden Moment sein drittes Kind.«
Vivian starrte mich an. Ihre Unterlippe zitterte. Sie sagte kein Wort. Es tat mir leid um sie, aber ich musste doch mit offenen Karten spielen!
»Und wie war das eigentlich noch mal mit den Briefen?«, fragte Sonja plötzlich und fixierte mich. »Da stimmte doch auch was nicht.«
»Ich muss mich bei dir entschuldigen«, sagte ich zerknirscht. »Du musst mir das glauben, Sonja: Als du den ersten Brief in deinem Spind gefunden hast und so glücklich gewesen bist, habe ich es einfach nicht über mich gebracht, dir zu sagen, dass sie gar nicht von Roman kamen!«
»Na, Hauptsache, sie galten mir!« Sonja kicherte und trank einen Schluck Prosecco. »Die waren Balsam für meine Seele.«
»Ja, also ehrlich gesagt …«
»Aber von wem waren sie dann?« Sonjas Augen leuchteten.
»Von Rainer.«
»Von Rainer?« Sie sah mich überrascht an. »Von dem früh pensionierten Lehrer, mit dem ich gerade Pilates gemacht habe?«
»Ich fürchte, ja.«
»Der schleicht schon seit Wochen hier herum!« Sonja zupfte mich am Ärmel. »Dann habe ich also doch einen heimlichen Verehrer! Hab ich’s doch gewusst, dass der ein Auge auf mich geworfen hat!« Sie kicherte. »Deshalb wollte er Einzelunterricht bei mir! Und in seinem letzten Gedicht schreibt er, dass sich unsere Hände berührt haben!«
Ich senkte verschämt den Blick.
Sonja schüttelte über sich selbst den Kopf. »Und ich habe ihn gerade so rüde rausgeworfen!«
»Der kommt schon wieder!«, meinte Billi und zwinkerte mir zu. »Männer, die man am ausgestreckten Arm verhungern lässt, laufen einem am ehesten nach.«
»Das kann ich nur bestätigen«, sagte ich schnell. »Aber du musst doch zugeben, Sonja: Der passt gar nicht in dein Beuteschema.«
»Ich habe überhaupt kein Beuteschema«, verteidigte sich meine Freundin. »Außerdem kann man aus dem noch eine Menge herausholen.«
»Bist du dir sicher?«, fragte ich erstaunt.
»Ich hole aus jedem Mann das Beste heraus«, versicherte uns Sonja. »Also, ich finde den irgendwie süß!« Sie rieb sich die Hände. »Den würde ich gern mal total umstylen, so klamottentechnisch. Ihm eine coole Frisur verpassen. Und nach ein paar Monaten Training erkennt ihr den Mann nicht wieder.«
Billi und ich wechselten einen amüsierten Blick.
»Roman ist also verheiratet«, sagte Vivian mit schmalen Augen. »Und hat Kinder.«
Billi legte den Arm um Vivian. »Lass mal. Andere Mütter haben auch schöne Söhne.«
Vivian presste die Lippen zusammen. Ihre Hand umklammerte die Wasserflasche so fest, dass sämtliche Sehnen zu sehen waren. Oje, Roman war wohl mehr als nur ein Flirt für sie gewesen.
»Er ist dein Sohn, Carin. Wir können ihn doch jetzt nicht einfach wieder aus unserem Leben streichen!«
»Ja«, sagte ich nachdenklich. »Er ist mein Sohn. Aber ich sterbe nicht gerade vor Sehnsucht nach ihm.«
Traurig sah ich Billi an. »Wie gesagt, ich empfinde keinerlei Muttergefühle. Und komme mir dabei entsetzlich schäbig vor.«
»Das ist doch vollkommen normal«, wiederholte Billi. »Wir haben unsere Brut schon seit einem Vierteljahrhundert am Hals, und du hast ihn gerade erst kennengelernt!«
»Wenn ich mir vorstelle, was ich mir alles ausgemalt habe«, sagte ich kopfschüttelnd und blinzelte die Tränen weg. »Heiße Umarmungen, Erklärungen, die ganz große Versöhnung. Ähnlichkeiten, Gemeinsamkeiten, gemeinsame Pläne, eine Reise zu zweit …«
»So was gibt es sonntagabends im Fernsehen.« Billi sah uns verträumt an. »Ich verpasse keinen einzigen Pilcher-Film.«
»Also, ich gucke ja lieber Tatort «, sagte Sonja.
»Stellt euch vor, ich bin fast dreifache Großmutter«, fuhr ich mit zitternder Stimme fort. »Ich hab euch alle längst
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