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Verwechseljahre: Roman (German Edition)

Verwechseljahre: Roman (German Edition)

Titel: Verwechseljahre: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind
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Gartenschürze ab.
    »Den Reeder«, fügte Sonja neunmalklug hinzu.
    »In welcher Angelegenheit?«, fragte der Mann und schaute von einer zur anderen.
    »In einer sehr privaten«, sagte ich tapfer. Alles in mir schien sich dagegen zu sträuben, in dieses Haus zu gehen.
    »Alle drei?«, fragte der Gärtner.
    »Nein, nur ich. Die anderen Damen sind meine Begleitung.« Ich spürte, wie mir sämtliches Blut aus dem Gesicht wich.
    Der Mann fixierte mich, und plötzlich öffnete sich das Gartentor automatisch.
    »Ich habe Sie schon erwartet«, sagte er und wies mit dem Kopf auf sein Anwesen.
    Er war gar nicht der Gärtner, sondern Viktor Stiller persönlich.
    Wir trippelten nervös hinter dem Mann her. Ich klammerte mich an Sonja, noch immer in Erwartung eines Köters, der heiser bellend an mir hochspringen würde. Sonja zwickte mich begeistert in den Arm.
    »Geil, geil, geil!«, flüsterte sie und hastete auf ihren hohen Hacken weiter. Sie trug knallenge Lederhosen und eine ziemlich weit aufgeknöpfte weiße Bluse unter einer knapp sitzenden Lederjacke. Ihr erst vor Kurzem vergrößerter Busen schaute neugierig hervor, als wollte er nichts verpassen. Die blonden, auf Volumen geföhnten Haarverlängerungen wippten.
    Billi betrachtete hochinteressiert die Blumenstauden und Heckenrosen und machte gleich eine lobende Bemerkung, um das kalte Reederherz etwas zu erwärmen. Der Mann brummte und zog eine Pfeife aus der Tasche. Wir umrundeten einen Swimmingpool und betraten dann die beeindruckende Villa. Vorher zogen wir noch artig die Schuhe aus.
    Der Reeder nahm das irritiert zur Kenntnis.
    »Das macht man bei uns in Bayern so«, sagte Billi, die am wenigsten Angst zu haben schien. Sie war eben selbst Villenbesitzerin und hatte einen ähnlichen Typ Mann zu Hause.
    Wir standen in einer riesigen Empfangshalle, in der allerlei kostbare Gemälde hingen. Auch ein paar gehörnte Tierköpfe blickten mit toten Augen auf uns herunter. Es waren nicht nur die üblichen Hirsche und Rehe, sondern auch etwas Büffelähnliches, afrikanisch Anmutendes. Offensichtlich war Romans Vater Großwildjäger. Mir wollten fast die Beine wegsacken. Verunsichert sah ich mich um: Und in diesen heiligen Hallen war mein kleiner Oliver großgeworden? Kein Wunder, dass aus ihm der arrogante Roman geworden war. Plötzlich sah ich meine popelige Dreizimmerwohnung im Maiblümchenweg 17 a mit anderen Augen. Wie abschätzig mein Sohn sie gemustert hatte! Aber warum brauchte dieser Junge Geld? Sein Vater schwamm doch darin!
    »Alles klar, Süße?« Sonja zwickte mich aufmunternd in den Arm.
    »Tja, die Damen. Womit kann ich dienen?«, fragte der Reeder. Er hatte das gleiche hochmütige Augenbrauenheben drauf wie Roman.
    »Also, ich bin Romans Mutter«, sagte ich tapfer. »Die biologische, meine ich. Und das sind meine Freundinnen.«
    »Aha.« Der Reeder klopfte seine Pfeife aus. »Sie haben also Verstärkung mitgebracht.«
    Blöder Kerl! Was glaubte der denn? Dass ich mich allein nicht in die Höhle des Löwen gewagt hätte? Na gut. Damit hatte er recht.
    »Na ja, wir waren sowieso gerade in Hamburg«, improvisierte Sonja. » König der Löwen und so.«
    »Ein wenig shoppen«, sagte Billi mit treuherzigem Augenaufschlag. Sie zupfte an ihrer adretten Dirndlbluse.
    »Und da dachten wir, wo wir doch schon mal hier sind …«
    »Kommen Sie weiter.« Der Reeder dirigierte uns mit seiner Pfeife in den Salon. Um seine Mundwinkel zuckte es. »Ich bin allerdings nicht auf Damenbesuch eingestellt …« Er legte seine Gärtnerschürze ab und warf sie über einen roten Brokatsessel.
    Ich wunderte mich, dass nicht längst ein Butler oder eine Haushälterin mit Schürze herbeigeeilt kam und uns eisgekühlten Champagner oder wenigstens Tee kredenzte.
    Stattdessen fragte der Reeder kühl: »Was kann ich Ihnen anbieten?«
    »Ähm – dürfte ich mal ganz kurz auf die Toilette?« Sonja trat schon von einem Bein aufs andere.
    »Und ich vielleicht auch?«
    »Und Sie?«, fragte mich der Reeder. »Bekanntlich gehen Damen ja immer gemeinsam aufs Klo.« Seine tiefe Stimme war so einschüchternd, dass ich mir wie ein dummes Schulmädchen vorkam.
    »Nein«, piepste ich. »Ich nicht.« Dabei hätte ich am dringendsten gemusst. Aber aus lauter Stolz verkniff ich es mir. Ich ließ meinen Blick über die Einrichtung schweifen: überall kostbare Bilder, schwere Teppiche, antike Vasen, Spiegel mit goldenen Rahmen und an der Wand ein Spinett. Auf einem schweren Eichentisch standen drei weiße

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