Verwechseljahre: Roman (German Edition)
seiner Wohnung schoss, mich in die Arme nahm und mit Küssen bedeckte. »Ach, meine arme Schnuckelmaus! Was hat der Kerl dir angetan?« Er bettete mich aufs Sofa.
»Rainer, bist du das?«, kam Mutters Stimme aus dem Schlafzimmer.
»Ich komme sofort, Paula, Liebes!« Rainer wusste nicht, wohin er zuerst eilen sollte. »Ach, ihr Mädchen!«, sagte er mit einem zufriedenen Lächeln. »Kann man euch denn nicht eine Minute allein lassen!«
16
U UUUND gebt noch mal ALLES! Noch vier, drei, zwei U UUUUUND Körperspannung!« Das war Vivian. Die Bässe dröhnten, dazu stampften Turnschuhe. Ich umarmte Billi, die bereits strickend in der Umkleide saß, und drückte auch dem schlafenden Mohairchen ein Küsschen auf die Glatze.
»Danke, dass du dir Zeit genommen hast.«
»Ist doch klar. Schau mal, ich hab dir Teile meiner Doktorarbeit ausgedruckt!«
»Danke. Lese ich gern. Ist mir eine Ehre.«
Aus dem anderen Trainingsraum hörten wir Sonja beschwörend murmeln: »Wir atmen tiiief ins Powerhouse und fühlen uns wie eine Suppenkelle, machen den Rücken rund und halten die Stellung … Nicht zur Seite purzeln, Bauchspannung, noch ein bisschen, noch ein bisschen …«
Ich musste lachen. »Das hört sich ja an wie eine Geburt!«
»Sie hat ein Einzelcoaching«, erklärte mir Billi. »Dein Rainer.«
»Oh«, sagte ich schwach.
»Er sucht seine innere Mitte.«
»Da kann er lange suchen.«
»Jetzt entspannen wir uns und machen uns laaaaang … Wir atmen unsere Sorgen weg und träumen uns an einen wunderschönen Ort …«
Einschläfernde Musik plätscherte zu uns herüber, erleuchtete Gurus schlugen auf einen Gong. Ich stellte mir vor, wie Rainer mit geschlossenen Augen selig lächelnd auf der Matte lag und seine Hammerzehe entspannte.
Schließlich kamen eine verschwitzte Vivian und eine verklärte Sonja aus ihren Übungsräumen und ließen sich erschöpft auf die Bank fallen.
»Mädels!«
»Seid umarmt!«
»Hartes Geschäft, was?!«
»Seit Roman nicht mehr da ist, fehlt er mir an allen Ecken und Enden …«
»Mir auch.«
»Mir auch.«
Ich schwieg.
»Mutter!«, keuchte Vivian, deren Halsschlagader noch pochte. »Wir dürfen uns nie wieder wegen einem Kerl streiten.«
»Wegen eines Kerls!«, sagte ich. Als Bibliothekarin konnte ich das nicht so unkommentiert im Raum stehen lassen. (Auch nicht in einem Umkleideraum.)
»Wir haben uns doch gar nicht gestritten«, sagte Sonja lächelnd, deren Wangen noch glühten. »Wir haben ihn halt alle geliebt.«
»Jede auf ihre Weise«, bemerkte Billi.
»Und eine supergeile DVD gemacht! Am ersten Oktober kommt sie in den Handel!«
»Wäre ja toll, wenn ihr ein bisschen Geld damit verdienen würdet!«, sagte Billi. »Roman hat gemeint, er könne dringend welches brauchen!«
Ich zuckte zusammen und spürte, wie ich blass wurde.
Vivian breitete die Gymnastikmatten aus, und Sonja köpfte den Prosecco. Billi verstaute ihren Laptop im Kinderwagennetz.
»Das mit meiner Doktorarbeit wird heute sowieso nichts mehr.«
»Lasst uns lieber reden!«
Wir machten es uns gemütlich, während der Regen unaufhörlich gegen die Scheiben prasselte.
»Wie war der Antrittsbesuch?« fragte Sonja. »Seid ihr euch nahegekommen?«
»Nicht so, wie ich es mir erhofft habe.« Ich holte tief Luft. »Ich habe zwar endlich meinen Sohn wiedergefunden, aber ich empfinde einfach keine Muttergefühle für ihn!«
Es klopfte. Rainer steckte seinen frisch geduschten Kopf zur Tür herein: »Also dann wieder am Dienstag zur gleichen Zeit?«
Als er uns vier Mädels auf der Matte sitzen sah, machte er die Tür ganz auf. »Oh. Damenbesprechung.«
Ich schluckte. Er würde doch jetzt nicht auch noch meine letzte Bastion einnehmen, nachdem er schon meine Wohnung erobert hatte?
»Genau«, sagte Vivian freundlich. » DAMEN besprechung.«
Sonja, die bei der Vergabe von Feingefühl nicht »Hier!« geschrien hatte, war aufgesprungen, schob Rainer freundlich, aber bestimmt hinaus und trat die Tür einfach mit dem Fuß zu. Ich liebte sie in diesem Moment sehr.
»Das ist doch verständlich«, tröstete mich Billi. »Wie willst du Muttergefühle auch so plötzlich aus dem Boden stampfen?«
Ich erzählte meinen Freundinnen, wie Roman sich bei mir zu Hause benommen hatte. »Ich fürchte, er hat es nur auf mein Geld abgesehen! Dabei habe ich doch überhaupt keins!«
Billi trank nachdenklich einen Schluck Prosecco.
»Er hat eine Menge Probleme«, gestand ich meinen Freundinnen. »Genauer will er sich aber nicht dazu
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