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Verwechseljahre: Roman (German Edition)

Verwechseljahre: Roman (German Edition)

Titel: Verwechseljahre: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind
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ihn an. »Das ist … Das ist ja so was von ge schmacklos! Deine Oma ist noch nicht tot, und du spekulierst schon auf dein Erbe? Abgesehen davon, dass dir rechtlich überhaupt nichts zusteht!«
    »Was erst noch zu klären wäre«, sagte Roman knapp und zeigte auf die Unterlagen auf dem Tisch.
    »Bist du … Bist du deshalb …« Mir verschlug es die Sprache.
    »Sorry, aber besondere Umstände erfordern besondere Maßnahmen.«
    Plötzlich wünschte ich mir, Rainer wäre hier. Auf einmal fühlte ich mich ganz hilflos und unendlich enttäuscht. Dieses charakterliche Armutszeugnis meines Sohnes, den ich in Gedanken immer vergöttert hatte, brachte mich fast zum Weinen.
    »Roman, sag, brauchst du – Geld?«
    »Hast du welches?« In seinen Augen glomm Gier auf. Er wirkte gehetzt.
    »Nein, Roman, ich meine – nicht viel! Du kannst dir doch denken, was ich verdiene!«
    »Ich brauche hunderttausend«, stieß Roman aus. »In bar!«
    »Wofür?«
    »Das geht dich nichts an!«
    Ich fühlte mich, als hätte er mir ins Gesicht geschlagen. In mir brach ein heftiges Gefühlsgewitter los. Eine Mutter hilft ihrem Kind. Eine Mutter lässt ihr Kind nicht im Stich. Ich hatte ihn damals im Stich gelassen und wollte das nie wieder tun. Aber Roman war mir plötzlich fremder denn je! Seine Augen waren kalt. Ich sah blanke Verzweiflung darin, aber auch Berechnung. Er kam mir vor wie ein gefährliches Raubtier. Plötzlich fürchtete ich mich vor ihm. Er war ein Fremder, der da in meiner Wohnung stand! Was hatte ich mir denn eingebildet? Dass er Händchen haltend mit mir auf dem Sofa sitzen und alte Fotoalben anschauen würde? Dass wir zusammen eine Reise buchen würden, wie Billi und ihr Sohn? Dass wir Arm in Arm über die Straße bummeln würden wie Sonja und Vivian? Dass er mir sagen würde, er wünsche mich als Oma für seine Kinder?
    Nichts von alledem stand in seinem Blick.
    Er hatte womöglich gar nicht nach mir gesucht, weil er Sehnsucht nach seiner leiblichen Mutter hatte. Warum fragte er jetzt so eindringlich nach seinem Erzeuger? Wollte er es etwa dort versuchen? Wollte er an das Geld des Vatikans? Er musste schwer in Not sein.
    Bisher war er gut im Lügen und Verstellen gewesen. Mich erst auszutesten, war nicht gerade die feine Art. Hatte er vielleicht in Erfahrung bringen wollen, ob ich finanziell flüssig war? War das reines Kalkül gewesen? War das alles Teil eines ausgeklügelten Plans? Bei dem er zufällig ein paar nette Frauen und die hübsche Vivian kennengelernt hatte, die ihm erst mal Unterschlupf gewährt hatten? Obwohl er doch verheiratet war und fast drei Kinder hatte?
    Mit ihm war doch etwas oberfaul! Vielleicht war er vor irgendwas oder irgendwem auf der Flucht?
    »Du hast recht«, sagte ich schließlich. »Es geht mich nichts an. Du hast dein Leben, und ich habe meines.« Plötzlich fühlte ich mich unendlich müde. »Aber dann möchte ich dich jetzt auch bitten zu gehen.«
    Ich spürte einen schmerzhaften Stich. Hatte ich das gerade wirklich gesagt? Warf ich meinen eigenen Sohn aus der Wohnung? In die er zum ersten Mal in seinem Leben gekommen war? Wie konnten wir nur streiten? Um so etwas Profanes wie Geld? Ich fühlte mich hin- und hergerissen. Ich wollte ihm ja helfen, aber wie denn, wenn er mich nicht ins Vertrauen zog? Womöglich war er in krumme Geschäfte verwickelt? Ich war seine Mutter. Andererseits hatte ich nicht annähernd so viel Geld. Ich hätte mit ihm zur Bank fahren und fünf- oder sechstausend Euro abheben können, aber das war nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Und ich war einfach zu verletzt, um ihm jetzt noch helfen zu wollen.
    Roman nahm die Akten und stopfte sie in seine Sporttasche.
    »Ich muss zu Silke.«
    »Ja«, sagte ich und war versucht, ihm die Hand auf die Schulter zu legen. Doch ich wagte es nicht, ihn zu berühren. »Dein Platz ist jetzt bei deiner Frau. Sie braucht dich.«
    »Auf deine Moralpredigt kann ich gut verzichten!«, sagte er verärgert. »Ausgerechnet du musst mir nicht sagen, wo mein Platz ist und wer mich braucht.«
    Ich zog den Kopf ein und hoffte, er würde mich verbal nicht noch mehr verletzen, aber beim Verlassen der Wohnung trat er noch nach: »Frag dich mal lieber, wer DICH gebraucht hat!«
    Mit diesen Worten stapfte er durchs Treppenhaus und warf die Haustür hinter sich zu.
    Ich sank auf den Boden, vergrub mein Gesicht in den Armen und brach in Tränen aus.
    »Carin?«, krächzte meine Mutter aus ihrem Zimmer. »Ist er weg?«
    Klar, dass Rainer sofort aus

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