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Verwechseljahre: Roman (German Edition)

Verwechseljahre: Roman (German Edition)

Titel: Verwechseljahre: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind
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Schiffsmodelle und das goldgerahmte Bild seiner Frau mit schwarzem Trauerflor.
    Nachdem die beiden Mädels auf verschiedenen goldenen Gästetoiletten geparkt waren, kam der Reeder wieder und baute sich vor mir auf. Er hatte graue Schläfen, ein wettergegerbtes Gesicht und war groß und schlank. So stellte ich mir einen Mann von Welt vor. Auch wenn er Gärtnerklamotten anhatte. Er hatte die Hände in seinen braunen Cordhosen vergraben und schaute mir prüfend ins Gesicht.
    »Und was wollen Sie von mir wissen?« Er wies mit der Pfeife auf ein dunkelrotes Samtsofa, und ich versank fast völlig darin.
    »Vielleicht wollen Sie erst etwas von mir wissen?«, fragte ich. Sein kühler Blick ermutigte mich nicht gerade zu einem koketten Flirt.
    »Nein«, sagte er. »Ich wollte noch nie etwas von Ihnen wissen.«
    Alles Blut wich mir aus dem Gesicht. Am liebsten wäre ich sofort wieder aufgesprungen und abgerauscht, aber meine Beine versagten mir den Dienst. Ich schnappte nach Luft.
    »Nehmen Sie das nicht persönlich, Frau …«
    »Bergmann!«, stieß ich mit letzter Kraft hervor. »Ich heiße Carin Bergmann.«
    »Ah ja. Mein Sohn hat so was erwähnt.«
    Der Reeder ließ sich mir gegenüber in einem Sessel nieder und zündete sich umständlich die Pfeife an. Plötzlich roch es leicht nach Vanille. Eigentlich mochte ich diesen Geruch, aber er passte nicht zu unserer frostigen Stimmung.
    »Wie gesagt, ich habe nichts gegen Sie persönlich, Frau Bergmann.« Der Reeder stieß weitere Tabakwolken aus. »Aber ich hätte mir doch für mich und meinen Sohn gewünscht, dass alles so bleibt, wie es ist.«
    Ich schluckte. »Das kann ich gut verstehen«, sagte ich und schaute ihm fest in die Augen. Dabei wedelte ich energisch den Qualm weg. »Aber IHR SOHN ist nun mal bei mir aufgetaucht.«
    »Na ja, er ist ja auch Ihr Sohn«, sagte der Reeder gnädig.
    »Ich hätte mir auch gewünscht, dass alles beim Alten bleibt«, sagte ich mit plötzlicher Wut. » MEIN Leben war auch in Ordnung, wissen Sie! Meine Mutter und ich haben ein friedliches Leben geführt, bis …« Mist, warum kamen mir denn plötzlich die Tränen? Das musste an dem blöden Pfeifenqualm liegen!
    »Na, nun beruhigen Sie sich mal, gute Frau.«
    Wenn der noch EINMAL gute Frau zu mir sagte! Ich musste mich schwer beherrschen, ihm keinen goldenen Briefbeschwerer an den Kopf zu werfen. Zum Glück tauchten in dem Moment meine beiden Freundinnen wieder auf. Sie nahmen mich in die Mitte und strichen mir sanft über den Rücken. »Ist alles in Ordnung, Carin? Du bist ja ganz blass!«
    »Unsere Konversation ist ein wenig mühsam«, presste ich hervor.
    »Wir definieren gerade das Wort ›Sohn‹«, sagte der Reeder. »Was möchten die Damen denn trinken?«
    Aha. Immerhin erinnerte er sich an seine Gastgeberpflichten. Obwohl, er war ja nicht wirklich unser Gastgeber. Wir hatten ihn einfach so überfallen.
    Während er Gläser holte und irgendwelche Säfte und Wasser, wobei ihm Billi wie selbstverständlich half, zischte Sonja mir zu: »Wenn er dich nicht gut behandelt, kann er was erleben!«
    »Er hat keinen Grund, mich gut zu behandeln«, gab ich zurück. »Er war unhöflich, und ich will hier weg!« Meine Stimme zitterte, und ich hatte einen dicken Kloß im Hals.
    »Jetzt sind wir hier und bleiben es auch!«, zischte Sonja. »Schon vergessen, wie teuer das Flugticket war?«
    Billi schien das kalte Reederherz als Erste erwärmt zu haben, denn als sie mit Viktor Stiller zurückkam, plauderten die beiden angeregt. »Mein Mann ist auch Jäger«, teilte sie ihm gerade mit. »Bei uns in den bayrischen Wäldern hat er sogar schon mal einen Wolf erlegt!«
    Der Reeder griff zum Telefon und gab mit seinem arrogant klingenden hanseatischen Tonfall ein paar knappe Anweisungen. »Nein, sagen Sie den Termin ab. Nein, das geht heute nicht mehr. Sie soll sich morgen wieder melden.«
    Uns gegenüber ließ er sich zu der Erklärung hinreißen: »Ich suche nämlich eine Haushälterin.«
    Als wir alle etwas zu trinken in der Hand hatten, wurde die frostige Atmosphäre etwas netter.
    »Wohlsein!«, sagte Billi und strahlte den Reeder an.
    »Prost«, sagte dieser einsilbig.
    »Stößchen«, sagte Sonja.
    Ich zuckte erschrocken zusammen, und der Reeder zog eine Augenbraue hoch.
    »Wir wollen Ihre Zeit nicht lange in Anspruch nehmen«, begann Billi und trat Sonja dabei unauffällig auf den Fuß.
    »Wir wollen nur wissen, wo Roman ist«, sagte Sonja. »Es ist nämlich so, dass meine Tochter Vivian

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