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Verwechseljahre: Roman (German Edition)

Verwechseljahre: Roman (German Edition)

Titel: Verwechseljahre: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind
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klapperten.
    »Carin«, sagte Rainer begeistert und riss mich erneut in seine Arme. »So verliebt habe ich dich ja noch nie gesehen!«
    »Ja, ich mich auch nicht«, heulte ich.
    »Was ist denn mit meinem Rollstuhl passiert?«, rief Mutter und versuchte vergeblich, ihn aufzurichten.
    »Ich habe ihn beim Staubsaugen umgeworfen«, stammelte ich. Meine Hände waren immer noch schweißnass, und ich versuchte, sie nicht allzu sichtbar zittern zu lassen, indem ich sie krampfhaft verschränkte. Ich spürte Rainers prüfenden Blick im Nacken. Jetzt bloß keine Panikattacke bekommen! Nicht vor Mutter!
    Rainer hob das sperrige Gefährt auf und setzte Mutter fürsorglich hinein.
    Da standen wir, wie ein verliebtes Paar, und Mutter zwinkerte uns aus ihren müden Augen zu: »Ach, was freue ich mich für euch, Kinderlein!«
    »Ja, wir freuen uns auch!«
    »Dann macht mir mal den Fernseher an. Am besten, ich lass die Turteltäubchen jetzt alleine …« Mutter wandte sich ihrer Lieblingsserie zu.
    Rainer legte seine Hand in meinen Nacken und schob mich in die Küche.
    Willig trottete ich mit. Es hatte doch alles keinen Zweck mehr. Ohne Rainer war ich nicht lebensfähig.
    Kaum waren wir allein, überhäufte er mich mit feuchten Küssen.
    »Dass du mich so magst! Hm?! Du magst mich!«
    »Äh, ja, klar! Heute liebe ich dich sogar! Also ähm … ein Stück weit.«
    »Schau, was ich heute im Wartezimmer für dich geschrieben habe!« Rainer drückte mir verstohlen einen Zettel in die Hand.
    Ich
    hielt den Himmel
    in
    meinen Händen,
    und
    nur der Himmel weiß,
    wie sehr
    ich
    dich
    vermisse.
    Mir klopfte das Herz. »Das ist schön«, sagte ich und sah ihn dankbar an. Ich konnte nicht anders – ich war tief berührt. Auf einmal hatte ich das Bedürfnis, mich in seine Arme zu werfen und mich an ihn zu klammern wie ein ertrinkendes Äffchen. Wir knutschten eine Weile herum, dann musste ich mir die Nase putzen.
    Rainer lehnte glücklich lächelnd im Türrahmen. »Ich hatte so gehofft, dass es dir genauso geht, meine geliebte kleine Schnuckelmaus!«
    »Ja«, flüsterte ich kraftlos. »Deiner Schnuckelmaus geht es genauso!« Wenn ich mir das oft genug einredete, würde ich es irgendwann selbst glauben. »Ohne dich ist sie ganz hilflos und fürchtet sich vor bösen Männern.«
    Mit jäher Leidenschaft packte er mich am Arm und hielt mich fest. »Ich beschütze dich!«
    Ich ließ meinen Kopf an seine Schulter sinken. Ich schämte mich ganz entsetzlich, gleichzeitig lähmte mir der Schreck noch alle meine Glieder.
    »Magst du es, wenn ich dir Gedichte schreibe?«
    Ich schluckte. Ein Stück weit wurde mir schlecht.
    »Deine Gedichte sind wirklich berührend.« Ich zwang mich, ihm in die Augen zu sehen. »Sie erfreuen jedes Mal ein einsames Herz.« Noch nie hatte ich mich so verlogen gefühlt.
    »Oh Carin!«, stieß Rainer glückselig hervor und strich mir die Haare aus dem Gesicht, hinter denen ich mich gerne weiter versteckt hätte.
    »Würdest du vielleicht doch mit mir leben wollen?« Hoffnung schwang in seiner Stimme mit.
    Ach, wofür kämpfte ich eigentlich noch? Spontan fasste ich einen schwerwiegenden Entschluss.
    »Ja, das würde ich«, antwortete ich ein wenig erstickt. »Eben habe ich mir sogar geschworen, dich zu heiraten.«
    Rainer riss mich in seine Arme und überschüttete mich mit einer neuen Ladung Küsse. »Hab ich’s doch gewusst, dass du eines Tages zu mir findest! Oh Carin, meine kleine Schnuckelmaus, ich verspreche dir, alles wird gut! Ich mache dich glücklich, wenn du mich nur lässt!«
    Er bohrte seine Zunge in meinen Mund, und ich zwang mich, mich nicht abzuwenden.
    »Ist das schön, Carin? Magst du das?«
    »Hm-hm«, machte ich, weil ich nicht sprechen konnte.
    »Rainer!«, krächzte Mutter aus dem Wohnzimmer. »Rainer, kannst du mir das Fernsehen lauter stellen?!«
    Rainer kicherte. »Wie taktvoll deine Mutter ist!«
    Er eilte mit wonnigen Schritten ins Wohnzimmer. Dabei warf er mir eine verliebte Kusshand zu. Verschwörerisch flüsterte er: »Wir reißen die Wand ein, die zwischen uns war!«
    Tapfer schluckte ich die Panik herunter. Von allen Übeln dieser Welt war Rainer doch das kleinste. Oder etwa nicht?
    Nach einer weiteren Viertelstunde, in der wir beim Lärm einer Vorabendserie im Flur herumknutschten, ließ Rainer von mir ab. »Puh, du bringst mich ins Schwitzen!« Er wischte sich über die Stirn. »So eine Leidenschaft, da geht einem ja das Messer in der Hose auf!«, flüsterte er verschämt.
    Von Messern hatte

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