Verwechseljahre: Roman (German Edition)
Beine an und schlang die Arme um die Knie. Ich musste erst mal mit meinen Gefühlen allein sein. Bis vor ein paar Wochen war ich noch eine alleinstehende Frau mittleren Alters gewesen, und nun würde ich bald vierfache Großmutter sein? Und zwei Schwiegertöchter haben? Dass ich selbst bald heiraten würde, kam noch erschwerend hinzu. Sollte ich es meinen Freundinnen sagen?
Die anderen redeten nach einer perplexen Schweigesekunde wild durcheinander.
»Aber das geht doch gar nicht! Er ist doch noch mit Silke verheiratet!«
»Na und? Er wäre nicht der erste Mann, der sich scheiden lässt und neu heiratet …«
Wir sahen Vivian halb besorgt, halb fragend an. Wollte sie sich wirklich mit Roman einlassen? Kannte sie überhaupt die ganze Wahrheit? Ich wagte es zu bezweifeln.
»Aber jetzt erzähl doch endlich vom Vatikan!«, drängte Billi.
»Also …« Vivian kämpfte erneut mit Mohairs Fingerchen, die ihr unbedingt büschelweise Haare ausreißen wollten. »Roman war ganz besessen davon, seinen B-Vater zu finden. B-Vater heißt biologischer Vater.«
»Wissen wir schon, wir sind schon im Bilde.«
»Er hat mir auf der Zugfahrt nach Rom immer wieder versichert, dass es ihm nicht ums Geld geht.«
»Aha. Sondern?«
»Was allerdings merkwürdig ist, denn ich habe beide Tickets und auch das Hotel in Rom bezahlt. Er ist völlig abgebrannt.«
Billi presste die Lippen aufeinander. »Na toll. Und ich habe ihm zwanzigtausend Euro geliehen.«
»Du hast WAS? «
»Als er bei mir wohnte, hat er sich immer so nett um Rikki und Tobi gekümmert und mit ihnen Hausaufgaben gemacht. Dann hat er noch das Boot repariert und den Rasen gemäht. Und mir immer den Müll runtergebracht. Irgendwann habe ich so was Ähnliches gesagt wie: ›Wie kann ich das bloß wiedergutmachen?‹, und da kam er abends in mein Arbeitszimmer und bat mich, ihm kurzfristig zwanzigtausend Euro zu leihen.«
»Ich dachte eigentlich, indem du ihn umsonst bei dir wohnen lässt?«, schaltete ich mich ein.
Wir starrten Billi an. »Und hat er gesagt, wofür er das Geld braucht?«
»Ja. Weil er für die Fitness- DVD -Produktion in Vorleistung gehen muss und Sonja nicht damit belasten will.«
»Aber das kann gar nicht sein!«, rief Sonja völlig aufgeregt. Sie war knallrot geworden. »Um dieselbe Summe hat er MICH schon gebeten!«
»Und du hast sie ihm gegeben?«, fragten Billi, Sonja und ich im Chor.
Sonja nickte.
»Plus meine zehntausend macht fünfzigtausend«, murmelte Vivian. Alle meine Freundinnen hatten die Farbe von Glühwürmchen angenommen.
»Und mich hat er um hunderttausend gebeten«, sagte ich. »Also nicht gebeten, er hat sie quasi eingefordert.«
»Und?«
Ich schüttelte den Kopf. »Keinen Cent.«
»Du hast ihm als Einzige nichts gegeben?«
Ich presste die Lippen zusammen.
»Und da sag noch einer, Blut ist dicker als Wasser!«
»Also erstens HABE ich so viel Geld nicht. Und zweitens hat er mich angeblafft, warum er es brauche, gehe mich nichts an!«
Wir starrten uns eine Weile fassungslos an, und außer Mohairs Gebrabbel hörte man nichts als das Knacken der Heizung.
»Ja, aber was MACHT er denn mit dem vielen Geld?!«
»Vivian! Du kennst ihn doch am besten von uns!«
»Jetzt noch mal der Reihe nach!«
»Nun lasst das Mädel doch mal zu Wort kommen!«
»Was hat er in Rom gemacht? Hat er das Geld in den Tiber geworfen?«
»Er war nachts immer lange unterwegs«, überlegte Vivian laut. »Ich war wahnsinnig müde, ihr wisst ja, wie das ist, wenn man schwanger ist …«
»Ja, ja, wissen wir.«
Zum ersten Mal kam nicht mehr der übliche Seitenhieb: »Außer dir, Carin! Du kannst da ja leider nicht mitreden!«
»Er ist immer gegen Mitternacht noch mal losgegangen. Er meinte, er müsse spazieren gehen und nachdenken …«
»Und das hast du ihm geglaubt?«
»Ja! Ich meine, hallo? Er hat versucht, seinen leiblichen Vater zu kontaktieren. Und der lehnt ihn ab! Da würde ich aber auch Zeit zum Nachdenken brauchen!«
»Und dann hat er ihn gefunden?«
»Er ist Journalist. Er ist nicht auf der Brennsuppe dahergeschwommen.«
»Ja. Wissen wir.«
»Gefunden war er schnell, denn er ist ja ein ganz hohes Tier im Vatikan. Aber empfangen hat er ihn nicht.« Vivian verlagerte ihre Sitzposition und legte Mohair wieder auf die Matte. Diese versuchte jetzt zu krabbeln.
»Da stand er also vor der Schweizergarde und hat sie umkreist wie eine Wespe die Torte. Er hat mir so leidgetan, schließlich konnte ich gut verstehen, dass er seine Wurzeln
Weitere Kostenlose Bücher