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Verwechseljahre: Roman (German Edition)

Verwechseljahre: Roman (German Edition)

Titel: Verwechseljahre: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind
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Frau Sie sind.«
    Patent. Nett. Waren das nicht Adjektive, mit denen ich sonst immer Rainer bedachte? Nett ist die kleine Schwester von Scheiße, hätte ich am liebsten laut gesagt. Ich zuckte die Achseln. »Silke ist eine bezaubernde junge Frau.«
    »Ja, sie mag Sie sehr.«
    »Ich sie auch.«
    »Ich sie auch.«
    Etwas an seinem durchdringenden Blick bescherte mir weiche Knie. War das »sie« jetzt groß oder klein gemeint?
    »Silke war ein Riesenglückstreffer für Roman«, ließ sich Viktor schließlich vernehmen. »Ein Anker, der ihm Halt gegeben hat.«
    Ich riskierte einen Blick auf den großen, grauhaarigen Mann, der da im Kamelhaarmantel neben mir herlief. »Das haben Sie ja auch getan«, sagte ich schließlich. »Sie und Ihre Frau.« Das kostete mich einige Überwindung.
    »Er hat verdammt viel Glück im Leben gehabt«, räumte Viktor Stiller ein. »Und trotzdem ist kein glücklicher Mensch aus ihm geworden.«
    Fragend sah ich ihn an. »Und wie kommt das? Wo er doch alles hatte?«
    Viktor schritt eine Weile schweigend neben mir her, sein Atem bildete weiße Wölkchen vor seinem Mund.
    »Er hat es Ihnen offenbar nicht gesagt?«
    »Was gesagt?« Ich versuchte, die quälenden Stiche in meinen Füßen zu ignorieren. Bei jedem Schritt stieß ich mir schmerzhaft die Zehen.
    »Womit fange ich bloß an?« Viktor Stiller schaute ratlos zum bedeckten Himmel empor, als könnte von dort oben ein Stich wort kommen. »Ich will den Jungen nicht verpetzen, schon gar nicht bei seiner Mutter. Aber nachdem Sie schon so tief mit drinhängen und sogar Besuch von der Mafia bekommen haben …«
    »Ja?« Wie betäubt starrte ich ihn an. Was wusste er von diesen Kerlen, die mich bedroht hatten?
    »Roman versucht verzweifelt, neue Geldquellen aufzutun«, sagte er schließlich. »Nachdem er bei Ihnen nicht fündig geworden ist, hat er es bei seinem biologischen Vater versucht. Aber der Schuss ging wohl gründlich daneben. Tut mir wahnsinnig leid für Sie. Ich hätte Sie vorwarnen sollen.«
    »Aber wieso … Ich meine, Sie haben ihn doch wirklich nicht kurzgehalten«, stammelte ich ratlos. »Er hat regelrecht davon geschwärmt, wie behütet er aufgewachsen ist und wie großzügig seine Eltern waren.«
    »Ja, das waren wir.« Viktor Stiller stiefelte immer energischer geradeaus. »Wahrscheinlich war das ein Fehler.«
    »Aber wie kommt er nur auf die Idee, bei einer Frau wie mir mit einer kleinen Dreizimmerwohnung Geld zu vermuten, wo er doch in einer solchen Luxusvilla …« Ich biss mir auf die Lippen. Nicht, dass er noch auf die Idee kam, ich litte unter Sozialneid.
    »Roman ist ein Spieler«, sagte Viktor schließlich. »Ein süchtiger, abhängiger Spieler.«
    Ich versuchte, den Sinn dieser Worte zu begreifen.
    »Spielt er – Karten?«
    Ein leises, trauriges Lachen entfuhr dem Reeder. »Das wäre die harmlosere Variante! Nein, er kann locker an einem einzigen Nachmittag fünfzigtausend Euro verspielen.«
    Wie angewurzelt blieb ich stehen. »Das … Das kann ich nicht glauben!«
    Viktor legte kurz seine behandschuhte Hand auf meinen Arm. »Der Junge hat in seinem Leben bestimmt schon eine Million Euro verspielt.«
    Ich schnappte nach Luft wie ein Fisch auf dem Trockenen. »Aber – warum denn?« Eine Million Euro! Das war eine unvorstellbare Summe, die die meisten Menschen nie im Leben zu sehen bekommen! Wie konnte man nur so viel Geld – wegwerfen?
    »Um Ihnen das zu erklären, liebe Carin …« Er räusperte sich. »… bin ich jetzt hier.«
    Und dann erzählte er mir die bittere Wahrheit.
    Als Roman vierzehn war, machte er zum ersten Mal eine Welt reise auf einem der Schiffe seines Vaters. Natürlich langweilte er sich, besonders an Seetagen. Zwischen Europa und Amerika lagen beispielsweise fünf Seetage, und zwischen Los Angeles und Hawaii ebenfalls. (Sollte ich ihm mal sagen, wie viele Seetage wir hier in Butterblum hatten? Dreihundertfünfundsechzig im Jahr!) Seine Mutter versuchte zwar, ihn mit Lernstoff zu beschäftigen, aber irgendwann streunte der aufgeweckte Bursche allein durchs Schiff. Bis er im bordeigenen Spielcasino landete. Und da er über reichlich Taschengeld verfügte, vergnügte er sich stundenlang allein an den Einarmigen Banditen. Darüber vergaß er die Langeweile.
    Natürlich hatte die Casinoaufsicht ein Auge auf ihn geworfen. Ein Filipino, der genau wusste, dass Roman der Sohn des Eigners war, fragte mehrmals vorsichtig nach, ob das denn im Sinne der Eltern sei. Aber Roman wickelte den Mann charmant um den

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