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Verwechseljahre: Roman (German Edition)

Verwechseljahre: Roman (German Edition)

Titel: Verwechseljahre: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind
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noch.«
    »Eben!«, sagte ich schnell. Meine Hände waren so klamm und feucht, dass ich sie auch unter den Händetrockner halten wollte. »Männer, die Gedichte schreiben, wollen nicht, dass ihre Ergüsse breitgetreten werden!«
    Frau Dünnbügel nickte. »Sonst würden sie ja reden und nicht schreiben.« Sie schaute wieder aus dem Fenster und seufzte. »Stille Wasser sind tief …«
    Während ich noch überlegte, wie ich das je wieder in Ordnung bringen konnte, riss Sonja den Zettel wieder an sich und stopfte ihn in ihre Handtasche.
    »Okay.« Meine Freundin nickte wissend. »Dann lassen wir die ganze Wortakrobatik eben einfach so im Raum stehen und schauen uns nur in die Augen.«
    »Ja. Bloß kein überflüssiges Wort.«
    »Oh, wie romantisch!« Frau Dünnbügel schlug die Hände zusammen.
    »Genau. Nicht alles gleich mit dem Brecheisen kaputtmachen. Lass die Sache ganz behutsam … wachsen.« O Gott, das war mir jetzt einfach so herausgerutscht. Ich war eine miese Kupplerin.
    »Du meinst, ich rede zu viel?«
    »Aber nein, Sonja! Wie kommst du denn darauf?« Ich sah das erregte Leuchten in ihren Augen und schämte mich. Aber was mich am meisten wunderte: Stand Sonja tatsächlich auf Rainer? War sie blind oder nur bedürftig? Was bezweckte sie?
    Das Gleiche schien sie mich fragen zu wollen.
    »Du verarschst mich doch jetzt nicht?« Sie verstummte.
    »Niemals!« Ich versuchte, entspannt zu lächeln und mich auf mein eigenes Date zu konzentrieren. Viktor war schon ein anderes Kaliber als Rainer! O Gott, mein Mund wurde plötzlich ganz trocken. Das würde nicht gut gehen, niemals ginge das gut!
    Ich zupfte nervös am Saum des Tigerkleids. »Ist das nicht ein bisschen kurz?«
    »Nein! Bei deinen Beinen! Ich sag doch: nicht kleckern, sondern klotzen!«
    »Und du, Sonja: ausnahmsweise mal nicht klotzen, sondern kleckern!« Ich legte meinen Arm auf ihren.
    »Beim Essen?«
    »Nein. Das macht schon Rainer.« Wir kicherten.
    »Ich finde ihn ja irgendwie süß …«, sagte Sonja lachend. »So tollpatschig und hilflos! Aber wie gesagt: Stell dir den mal mit einer anderen Frisur und coolen Klamotten vor!«
    Nein, das wollte mir einfach nicht gelingen. Rainer war Rainer. Ich starrte sie an. Wäre es heilsam für ihre Seele, wenn sie ihn umformen könnte? Als eine Art seelische Domina? Wenn sie ihm sagte, dass er ein Trampel sei – würde es ihr dann besser gehen?
    Sonja klemmte mir ein paar riesige Bammelohrringe ans Ohrläppchen:
    »Wie der sich Mühe gibt! Der strampelt sich ab, nur um in meiner Nähe zu sein, und keucht und schwitzt und strengt sich wahnsinnig an, mich zum Lachen zu bringen …«
    »Du findest ihn komisch?«
    »Ja, er ist zum Totlachen!«
    »Wer kann das heute noch«, sagte Frau Dünnbügel gerührt. Sie riss ein Papiertuch aus dem Spender und schnäuzte sich hinein.
    Zuletzt sprühte Sonja mir noch ordentlich Parfüm um die Ohren und sich bei der Gelegenheit in den Busenritz. »Wollen Sie auch?«, fragte sie Frau Dünnbügel, aber die schüttelte nur den Kopf.
    »Nein, ich habe ja heute nichts mehr vor …« (Die hatte wahrscheinlich nie mehr was vor.)
    Ich drückte Sonja einen Kuss auf die Wange. »Danke, Sonja.«
    »Wofür?«
    Dass du mir Rainer abnimmst, konnte ich ja schlecht sagen. »Für alles.«
    »Quatsch, ich habe dir zu danken!« Sonja warf ihre Schminkutensilien zurück in den Koffer. »Oder wer hat mir Rainer als Kunden gebracht?«
    Frau Dünnbügel sah zwischen uns hin und her.
    Schon wollte ich davonstürmen. »Frau Dünnbügel, schließen Sie dann ab?«
    »Halt!«, rief Sonja und hielt mehrere Paar Schuhe hoch. »Rote Stiefeletten, Krokoleder mit Plateau oder schwarzer Lack? Und hier wäre jeweils die passende Handtasche dazu!«

22
    R ainer! Aber das wäre doch nicht nötig gewesen!« Sonja stö ckelte strahlend auf Rainer zu und breitete die Arme aus. Ich sah die Duftwolke förmlich vor mir, die sie auf dem regnerischen Parkplatz verströmte. Rainer hatte soeben seine Rosen vom Gepäckträger gepflückt und starrte sie verdutzt an. Verlegen schielte er zum Fenster empor, wo ich mich unauffällig hinter dem Vorhang versteckt hatte. Schnell verdrückte ich mich. Meine Halsschlagader pulsierte heftig. Verzweifelt versuchte ich, meine Nervosität wegzuatmen. Phhhh, ich bin ganz ruhig, ich habe die Situation voll im Griff … Komisch. Von so einer Situa tion hatte ich eigentlich mein Leben lang geträumt. Ich meine, dass gleich zwei Männer auf mich warteten! (Von denen ich ja einem bereits das

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