Verwegene Herzen (German Edition)
weckt!“
„Mach auf, Tuck!“
„Robin? Heiliger Vater, was ist los?“
Er griff nach seiner Kutte und zog sich das weite braune Gewand über den Kopf. Aus einem Krug, so groß wie sein Unterarm, trank er einen letzten Schluck Ale und wischte sich über den Mund. Nachdem er sich einen Rosenkranz um den Hals und einen Dolch an den Gürtel gehängt hatte, fühlte er sich angemessen bewaffnet.
Tuck machte die Tür weit auf. Der Mond schien auf eine hochgewachsene Männergestalt, von der er nur den Umriss erkennen konnte. Ein Schauer überlief ihn. „Um Himmels willen, Robin! Ich dachte, du bist noch in Frankreich!“
Der Mann betrat die Hütte. Eine schwach brennende Talgkerze verbreitete etwas mehr Licht als der Mond und warf einen orangefarbenen Schein auf das Gesicht des späten Gastes.
„Schande über dich, Tuck, dass du mich für meinen Onkel hältst“, sagte Will Scarlet. „So eine Beleidigung würde er dir lange nicht verzeihen.“
Tuck lachte, um seine Überraschung zu überspielen. „Ebenso wenig wie du, nehme ich an. Und du trägst einen Köcher. Das erklärt meinen Irrtum.“
Will zuckte die Achseln, doch die lässige Geste passte so gar nicht zu seinem eindringlichen Blick. Jetzt bemerkte er Agnes, die halb nackt quer über der Matratze lag. Doch er zog nur eine Braue hoch. „Ich entschuldige mich für die späte Stunde.“
„Du bist nicht schuld an der späten Stunde, aber du hast dich entschieden, mir zu dieser ungastlichen Zeit den Schlaf zu rauben.“
„Verzeihung, Tuck. Ich bin gekommen, um einen Gefallen zu erbitten.“
„Und was willst du von mir? Ich mache nicht mit, wenn es darum geht, etwas hinter Robins Rücken zu tun.“
Will hatte die Hände hinter dem Rücken verschränkt und runzelte die Stirn. „Deine Verbundenheit mit meinem Onkel ist hart erkämpft und völlig verdient, aber ich führe nichts Böses im Schilde.“
Tuck setzte sich auf einen niedrigen Hocker. Seine langen Gewänder bauschten sich zwischen den gespreizten Knien. Er starrte Robins einzigen Neffen an, und die Ähnlichkeit beunruhigte ihn. Einst waren die Seele eines aufsässigen Jungen und der Geist eines Räubers im Körper eines Kriegers vereint gewesen. Und jetzt stand er hier, ein erwachsener Mann. Er sprach mit einer Autorität, die Tuck bisher nur von Loxleys fernem Herrn gehört hatte, einer Autorität, die schwächere Gemüter zum Gehorsam zwang.
Aber das von dem jungen Scarlet? Tuck bekreuzigte sich, für den Fall, dass dies eine List des Teufels sein könnte.
„Dann heraus mit der Sprache. Welchen Gefallen verlangst du?“
Ein Lächeln zuckte über Scarlets Gesicht, als würde er einen Scherz machen. „Ich bitte dich, mich zu verheiraten. Heute Nacht.“
„Verheiraten? Mit wem?“
„Meg.“
Tuck starrte auf den Eingang und rieb sich das spärliche Haar an seinem Hinterkopf. Dann hielt er inne, kniff die Augen zusammen und bekreuzigte sich noch einmal.
Eine blinde Frau, die wie ein Engel und eine Hexe zugleich aussah, tastete sich lautlos den Weg durch die Tür. Sie trug ein dunkelbraunes Kleid mit einem waidgefärbten Unterkleid. Das Haar hing ihr offen über die Schultern, ungeschmückt und unbedeckt. Nicht einmal das zuckende Licht der Kerze vermochte ihr hübsches Gesicht zu verzerren, das nur entstellt war von einer Wunde an der Wange.
Will zog sie neben sich, bot ihr den Arm und führte sie zu einer Bank. Erst dann bemerkte Tuck die Verbände an den Gelenken des jungen Mannes. Flecke von getrocknetem Blut zeichneten sich auf dem Leinen ab. Ein weiterer Verband war auf seinem Unterarm zu sehen.
„Tuck, das ist Meg. Meg, ich möchte dir Bruder Tuck vorstellen.“
Ihre Augen waren auf nichts Bestimmtes gerichtet, aber sie drehte den Kopf in dieselbe Richtung wie Will. „Wie geht es Euch, Bruder?“
„Gut, danke.“ Er stand auf und trat einen Schritt zurück. „Verzeiht mir, Miss – ich möchte mit dem Burschen sprechen.“
„Natürlich.“
Tuck schlurfte zu der Matratze und breitete eine Decke über Agnes aus. Sie wachte kurz auf. „Was ist los, Bruder?“
„Kümmere dich nicht darum. Schlaf weiter.“
Gehorsam drehte sie sich um und schloss wieder die Augen. Tuck wandte sich an seine Gäste und sah, wie Robins Neffe sich von den Knien erhob, der Frau einen Kuss auf die Stirn gab und ihr etwas ins Ohr flüsterte. Sie lächelte und nickte dann.
Will ging zur Feuerstelle. „Wenn du nicht möchtest, dass sie unsere Worte hört, sollten wir besser
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