Verwegene Herzen (German Edition)
hinausgehen.“
„Mit dir werde ich nicht in den dunklen Wald gehen“, entgegnete Tuck. „So wahr ich in meinem Leben schon Brot gegessen habe, du bist ein unberechenbarer Kerl.“
„Wie du willst.“
„Klär mich auf. Was geht hier vor?“
„Die Einzelheiten spielen keine Rolle. Du erwartest nur immer das Schlimmste von mir.“ Der Blick, mit dem der junge Mann ihn bedachte, verbot Tuck jede Widerrede. „Sorge dafür, dass ich ordentlich verheiratet bin, dann kannst du sicher sein, dass ich Marian nicht mehr behellige.“
„Dessen kann ich nicht sicher sein.“ Ganz offen griff Tuck nach seinem Dolch.
„Du weißt, dass ich fähig bin, die Frau eines anderen zu begehren“, sagte Will. „Daher könnte man leicht glauben, dass ich auch meine eigene Frau betrügen könnte. Aber das werde ich nicht tun.“ Er warf einen raschen Blick auf den Rosenkranz, der über Tucks dickem Bauch hing. „Wenn du auch nur ein wenig heiliger bist als wir Übrigen, dann sag das Gott.“
„Du liebst sie.“
Will nickte und rieb sich mit bebender Hand über die Augen und den Mund. Im Kerzenlicht fielen die Blutflecke auf den weißen Verbänden besonders auf.
„Was ist dir alles zugestoßen, meine Junge?“
„Einiges“, erwiderte er. „Wirst du es tun, Tuck?“
„Ja. Ich bin neugierig zu erfahren, wie die Ballade über dich endet.“
„Ja – ich brenne auch darauf, noch mehr Narreteien mit meinem Namen zu hören.“
Tuck schlug seinem jungen Gast auf die Schulter und lachte. „Keine Ballade über dich wird deinen Namen tragen. Egal, ob es um Missetaten oder Heldentum geht, ich höre schon die erste Zeile: der geliebte Neffe unseres tapferen Robin Hood zog einst durch die Wälder.“
Will schüttelte den Kopf und grinste. „Du wirst recht behalten.“
„Dann bringen wir es hinter uns, Master Will“, sagte Tuck und ließ den Blick über Agnes üppige Rundungen gleiten, die sich deutlich unter der Decke abzeichneten. „Ich habe noch das Werk des Herrn zu verrichten.“
„Und das wirst du mit großem Vergnügen tun.“
In der Dunkelheit wirkte die Hütte wie eine Erscheinung, ein schwarzes Tier, das im Wald lauerte. Die Silhouetten der Bäume bewegten sich wie Lebewesen im Wind, schwankten hin und her und warfen die Äste wie Arme zum Himmel. Ein Schauer überlief Will, und ihm sträubten sich die Haare, so unheimlich wirkte Megs Heim im Licht des abnehmenden Mondes.
Verheiratet. Er war verheiratet. Sie waren verheiratet, auch wenn seine frisch angetraute Gemahlin das Gelübde mit geschlossenen Augen und fest geballten Fäusten gesprochen hatte. Die Worte, die sie auf Tucks Anweisung hin pflichtgemäß wiederholt hatte, hatten wenig mit dem Versprechen zu tun, das Will im Kopf gehabt hatte.
Er ließ die Hand auf ihrem Rücken ruhen, dann über ihre Rundungen gleiten. Selbst jetzt, da er sie berührte, konnte er sich nicht ihrer Anwesenheit versichern, so tief hatte sie sich in ihre dunkle Welt zurückgezogen. Er wollte, dass sie seine Zuneigung mit derselben Heftigkeit erwiderte. Er wollte irgendein Zeichen dafür, dass sie anerkannte, was er aufgegeben hatte, alles nur für sie. Und er wollte mehr, als sie jemals bereit war zu geben. Sie war der Grund für die wahnsinnigen, tollkühnen Empfindungen, die ihn erfüllten und von denen er vermutete, dass es Liebe war. Und doch hatte es auch mit Besessenheit zu tun.
Aber er hasste ihr Heim. Der Wind ließ ihn erschauern.
Vereint, nicht länger als Feinde, überschritten sie die Schwelle, um ein neues Leben zu empfangen, wenn schon nicht einander. Plötzlich empfand er eine andere Form von Aufregung, als er so allein mit seiner Braut dastand. Er konnte kaum sprechen und schluckte beunruhigt. „Da sind wir also.“
Meg nickte nur, ging weiter in die kleine Hütte hinein und blieb vor ihrem Arbeitstisch stehen. Halb stand sie im Schatten, halb im Licht. Sie stützte beide Hände auf die Tischplatte, senkte den Kopf, sodass ihr Kinn fast ihre Brust berührte. An der Art, wie sie die Schultern hängen ließ, erkannte er ihre Erschöpfung, oder vielleicht auch dieselbe Aufregung, die er empfand.
„Sag mir – haben wir Kerzenlicht? Scheint der Mond? Oder ist es dunkel?“
Er holte tief Atem und schloss die Augen. Jetzt sah er nur die unheimlichen Schatten des nächtlichen Waldes vor sich, doch er behielt diese Beschreibungen für sich. Und da er weder Balladen noch Gedichte schreiben konnte, suchte er nach Einzelheiten. Er suchte die Welt, die sie nicht
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