Verwegene Herzen (German Edition)
Noch immer war er zornig und versucht, alle Brücken abzureißen, die es vielleicht noch gab.
Aber er hielt seine Frau in den Armen, und das fühlte sich warm an, sicher und richtig. Der Abend lag vor ihnen wie eine Hochzeitsnacht, voller Versprechungen. Welchen Konflikt es zwischen ihm und Will auch immer gegeben haben mochte – all das konnte warten, bis der neue Tag anbrach.
„Ja, morgen früh“, sagte er. „Also – wo ist unser Sohn?“
Zärtlich sah sie ihn aus großen braunen Augen an. Sie schob alle Bedenken beiseite, lächelte und gewann damit noch einmal sein Herz. „Er schläft. Seine Kammer liegt auf dem Weg zu unserem Schlafgemach.“
Von einem Stuhl in der Ecke aus sah Will zu, wie ein schmaler Lichtstreifen über das Gesicht seiner Frau wanderte. Im Augenblick schlief sie ruhig und friedlich, während die Morgensonne einen rosigen Schein auf ihre Wangen zauberte.
In einem Kamin brannte ein kleines Feuer und vertrieb die Kälte aus dem Raum. Aber er erschauerte. Er fand keine Ruhe, keinen Schlaf, denn Meg litt noch immer. Und Robin war nach Hause zurückgekehrt.
Vom Turm aus hatte er zugesehen, wie Marian über das Gelände stürmte, um ihren Gemahl zu begrüßen. Das Glück umfing sie wie ein Wall, ein Schutz gegen das Böse. Ihre Begegnung, die Wiedervereinigung zweier Liebender, die lange getrennt gewesen waren, trieb ihm die Tränen in die Augen. Er hatte seinen Onkel am Tor empfangen wollen. Stattdessen hatte er sich ins Haus zurückgezogen und fühlte sich wie ein Feigling.
Der Morgen hatte an diesem Gefühl nicht viel geändert. Er würde seinem Onkel wie ein Krieger entgegentreten. Doch gleichzeitig hätte er sich am liebsten wie ein kleiner Junge auf den Mann gestützt, der bei ihm Vaterstelle vertreten hatte. Er wollte bekennen, was er getan hatte und was ihn bedrückte. Doch die Angst vor Zurückweisung ließ diese kindischen Bedürfnisse lächerlich erscheinen, und sein Stolz verlangte von ihm, dem Onkel wie ein Mann zu begegnen.
Als Alice leise an die Tür klopfte, gewährte er ihr Einlass, damit sie Megs morgendliche Behandlungen vornehmen konnte. „Soll ich bei ihr bleiben, Master Will, während Ihr frühstückt?“
„Ich danke Euch, Alice.“
„Sie ist mir keine Last“, erwiderte sie und kniete nieder mit dem Tablett, auf dem die Salben und Verbände lagen.
Will gab Meg einen Kuss auf die Stirn. Dann richtete er sich auf und zog die Tunika zurecht, die Marians Schneider für ihn gearbeitet hatte. Er überließ Alice die Behandlung und ging die Haupttreppe hinunter. Ganz Loxley Manor summte vor Geschäftigkeit, alle lächelten und legten bei ihrer Arbeit besonderen Eifer an den Tag. Ihr Herr war zurückgekehrt, heil und gesund. Will beneidete Robin um so viel Zuneigung.
Nachdenklich fuhr er sich mit den Fingern durchs Haar und legte still für sich einen Eid ab. Er war jetzt ein Mann, kein Junge mehr, und er würde nicht vor seinen Pflichten gegenüber seiner Familie und gegenüber der Wahrheit zurückschrecken. Und er würde Robin keinen weiteren Grund mehr geben, ihn zu verachten.
Du bist tapfer. Du bist gut .
Ein Lächeln umspielte seine Lippen. Er glaubte ihr, so wie sie ihn sah, die verrückte, seltsame Hexe.
Als sein Schatten im Türrahmen erschien, verstummten im Speisesaal alle Gespräche. Ein halbes Dutzend Köpfe wandte sich in seine Richtung. Robin senkte den Blick, ebenso wie die Hand, in der er das Brot hielt, doch Marian lächelte.
„Guten Morgen, Will“, grüßte sie. „Wie geht es Meg?“
„Sie schläft, danke. Alice kümmert sich um sie.“
Mit einem raschen Blick entließ sie die Dienerschaft. Dann winkte sie ihn an den Tisch, an dem Robin sich jetzt erhob. Sie standen da, mit steifen Armen, wie Gegner in einem Kampf. Um Robins Schultern lag eine Anspannung, wie Will sie noch nie bei seinem Onkel gesehen hatte. Auf seinem Gesicht zeigten sich Fältchen, die zuvor nicht da gewesen waren.
Ein Blick aus kühlen blauen Augen traf ihn. „Guten Morgen, Will.“
„Robin“, erwiderte dieser mit einem Nicken. „Ich freue mich, dich sicher zurückgekehrt zu sehen.“
„Und ich war überrascht zu hören, dass du nach Hause gekommen bist.“
„Marian war so liebenswürdig, ihre Hilfe anzubieten. Wir werden dich nicht länger belästigen, als Megs Genesung es erfordert.“
„Meg. Deine Frau, nicht wahr?“
„Ja. Ich kann es kaum erwarten, euch miteinander bekannt zu machen.“
Robins Blick fiel auf die Schiene, die Wills Daumen stützte.
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