Verwegene Herzen (German Edition)
sie.
„Ich bin bedrückt“, sagte er endlich. Er ging zu dem Kamin, nahm einen Schürhaken und stocherte in den Kohlen herum. Das kleine Feuer vermochte die herbstliche Kälte nicht zu vertreiben. Er fröstelte und zog sich den pelzgefütterten Umhang fester um den Körper.
Sie berührte seine Schulter. „Was ist es, das dich bedrückt?“
„Die Frage ist eher, wer.“
„Will? Was hat er getan?“
„Das frage ich dich.“
Sie nickte und bedachte ihn mit einem Blick, den er nicht zu deuten vermochte.
Als würde er die schrecklichen Momente vor einer Schlacht neu erleben, spürte er, wie seine Knie weich wurden. Die Frage schien ihm einen pochenden Kopfschmerz zu bereiten. Robin räusperte sich und zwang sich, den Mut aufzubringen, ihre Antwort anzuhören.
„Was ist zwischen euch geschehen, ehe er das Haus verließ?“
Im Stillen betete er, Marian möge ihn schlagen, ihn anschreien und schelten über die Absurdität seiner Beschuldigung. Stattdessen trat sie zurück. Er erstarrte.
„Er hat mich geküsst.“
Die Starre fiel von ihm ab, und er wurde wütend. „Ich werde ihn umbringen.“
Er wandte sich ab von dem Feuer, dessen Scheite sanft und mild glühten, verglichen mit der flammenden Hitze seines Zorns. Sein Blick fiel auf sein Schwert, seinen Bogen, den Köcher mit den tödlichen Pfeilen. Er packte alle drei, ehe Marians Bitten seinen aufgebrachten Verstand erreichten.
„Robin! Robin, bitte, mäßige deinen Zorn und sprich mit mir.“
Will Scarlet. Sein eigener Neffe.
„Du hast es mir nicht erzählt?“ Sein Aufschrei durchfuhr den Raum wie ein heftiger Windstoß. Er ließ die Waffen los, die klirrend zu Boden fielen, sodass sie zusammenzuckte. Er wollte sie noch einmal zusammenzucken sehen, wollte im Gegenzug sie treffen.
Zwischen ihren Brauen erschien eine kleine Falte. „Ich habe mich geschämt, Robin. Bitte versteh das. Ich hatte Angst vor dem, was du vielleicht über mich denken würdest.“
„Aber er hat dich geküsst.“ Ein Unterschied für ihn, der ihm wichtig zu sein schien, das Einzige, an dem er sich festhalten konnte, wie ein Ertrinkender sich an einen Ast klammert, ehe er den Wasserfall hinunterstürzt. „Das war nicht dein Fehler.“
Langsam schüttelte sie den Kopf, sodass ihr Haar sich sanft bewegte.„Du machst nur Will Vorwürfe. Hierin irrst du dich.“
„Du hast seine Gefühle erwidert?“
„Nein, und das tue ich auch jetzt nicht.“ Sie beugte sich zu ihm vor, blieb aber an derselben Stelle stehen. „Er hat mir ein schönes Kompliment gemacht, eines, das ich zu sehr genossen habe. Weil unsere Zukunft, deine und meine, mir wichtig war, bat ich ihn zu gehen. Für immer.“
Heiser flüsterte er ihren Namen.
„Robin, ich wollte mein Leben mit dir verbringen, und das will ich immer noch.“ Zögernd machte sie zwei Schritte auf ihn zu. „Ich liebe dich.“
„Das habe ich jedenfalls geglaubt.“
Tränen traten in ihre Augen, doch sie schien sie nicht zu bemerken. „Verzeih mir, Robin. Bitte.“
Sie weinen, sie vor Angst zittern zu sehen – all dem vermochte er nicht zu widerstehen. Er zog sie in seine Arme. Sie schmiegte sich an ihn, überwältigt von Schluchzern. Robin strich ihr die feuchten Haarsträhnen aus dem Gesicht. „Ich muss dir verzeihen, nach allem, was ich dir zugemutet habe.“
Dann umfasste er ihr Gesicht. „Aber – Will?“
Mit angespannten Schultern löste sie sich aus seinen Armen. Ihre Stimme klang härter. „Ich frage mich beinahe, ob du anders reagiert hättest, wenn es ein anderer gewesen wäre.“
„Unsinn.“
„Er ist ein Mann, Robin.“ Ihre dunklen Augen, in denen noch immer die Tränen schimmerten, wirkten jetzt fest und entschlossen. „Durch dein Beispiel und deine Führung ist er ein guter Mann geworden. Einer, auf den wir stolz sein können, den wir respektieren. Und die beiden einzigen Menschen, die das nicht zu erkennen vermögen, seid ihr beide – du und Will Scarlet.“
Sie ging davon, und ihre Worte brannten sich in sein Fleisch wie der Stich einer Hornisse. Er ließ den Kopf hängen. Sein Nacken schmerzte vor Anspannung. Keine Auseinandersetzung in seinem Leben hatte ihn bisher so niedergeschlagen zurückgelassen.
Der Drang, seinem Zorn Luft zu machen, ließ sich nicht unterdrücken, und dieser Wunsch durchpulste seinen Körper und erstickte jeden Gedanken. Schmerz und Instinkt veranlassten ihn, sein Schwert zu ergreifen.
32. Kapitel
Weiter und weiter stürmten sie,
wie wilde Keiler bei einer
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