Verwegene Herzen (German Edition)
„Und wie ich hörte, hattest du Schwierigkeiten mit dem neuen Sheriff.“
Wills Kiefermuskeln zuckten. „Nichts, womit ich nicht fertig wurde.“
Obwohl er keineswegs überzeugt wirkte, widersprach Robin nicht. Seine Frau blickte von einem zum anderen und murmelte dann eine Entschuldigung, ehe sie sich zurückzog. Sie setzten sich allein an den Tisch, und die Kluft zwischen ihnen schien tiefer geworden zu sein.
Stumm aßen sie. Das Brot in Wills Mund schmeckte trocken und ließ sich nur mühsam herunterschlucken. Jedes Geräusch hallte in dem Saal wider und vertiefte noch den Riss zwischen ihnen. Nachdem er einen großen Schluck Ale getrunken hatte, fand Will die richtigen Worte, um das Schweigen zu brechen. „Du warst bei Richard in Chalus, als er starb?“
„Ja“, sagte Robin, den Mund grimmig verzogen. „Sinnlos, das alles.“
„Du fragst dich, warum ich mich nicht freiwillig gemeldet habe.“
Robin lehnte sich zurück und verschränkte die Arme. „Vermutlich tue ich das. Du kennst deine Pflicht.“
Also werden wir hier die Sache ausfechten .
„Sprichst du als mein Onkel oder als mein Herr?“
„Beides.“
„Dies hier hat nichts zu tun mit meiner Weigerung, nach Frankreich zu gehen.“ Er wurde ungeduldig. „Hier geht es um die Frage, warum ich Loxley Hall verließ.“
Robin schlug mit der Faust auf den Tisch, sodass die Brühe aus den flachen Schalen schwappte. „Ich habe dir vertraut! Du hast versprochen zu bleiben und dich in meiner Abwesenheit um das Haus zu kümmern! Stattdessen bist du verschwunden! Du hast meine Frau und meinen Sohn angreifbar gemacht!“
Langsam und ohne den Blick von Robin zu wenden, stand Will auf. „Marian ist nicht meine Frau. Robert ist nicht mein Sohn.“
„Der König hat mich gerufen. Mir blieb keine Wahl.“
„Du hast mir öfter als jeder andere gesagt, dass man immer eine Wahl hat.“
„Du warst ein Feigling.“ „Und soeben habe ich wieder eine Wahl getroffen.“ Er schnippte mit dem Finger gegen die Tunika seines Onkels. „Ich werde die Fäuste nicht gegen dich erheben.“
Robin packte ihn an dem verletzten Handgelenk und drehte es herum, sodass sie sich bewegten wie in einem seltsamen Tanz. „Du hast deine Familie verlassen.“
Will riss sich los und wich zurück. „Ich habe Marian verlassen, du Narr! Und das war eine meiner ehrbarsten Taten überhaupt!“
Robins Blick wurde eiskalt. Dann blinzelte er. „Was soll das bedeuten?“
„Frag deine Frau. Mich braucht jetzt die meine.“
Robin eilte durch die Halle, seine leichten Schritte gedämpft von den dicken Teppichen. In seinem Schlafgemach ging er dann auf und ab und wartete darauf, dass Marian zurückkehrte. Durch die Leinenstoffe vor den Fenstern, die so geölt waren, dass sie beinahe durchscheinend wirkten, schien fahl die tief stehende Nachmittagssonne und warf lange, verzerrte Schatten.
Er war zutiefst erschöpft und wollte sich nur ausruhen, wollte Marian in seinen Armen halten und die Zukunft in Angriff nehmen, die hatte warten müssen, als er Richards Ruf zu den Waffen folgte. Doch eine Rastlosigkeit, die sich nicht verleugnen ließ, quälte ihn und verdarb all die Gedanken an Frieden und Zuhause.
Ein Teil seiner Unzufriedenheit stammte von seinem Traum, der ihm ein Leben fern von Krieg und den Opfern des Schlachtfeldes verhieß. Der andere Teil begann und endete mit Will Scarlet. Er würde erst dann Frieden finden, wenn er ihren langen Streit beendet hatte. Aber welche Rolle Marian in diesem Streit spielte, das vermochte er noch nicht zu erkennen.
Die schreckliche Vorstellung, dass Will und Marian ein Liebespaar geworden waren, nagte an ihm wie eine schwärende Wunde. Doch diese Möglichkeit erschien ihm unwahrscheinlich, selbst in seinen dunkelsten Fantasien.
Will und Marian? Das konnte er sich von keinem der beiden vorstellen. Und er wollte es auch nicht.
„Mein Gemahl, du bist bedrückt.“
Als er sich umdrehte, sah er Marian im Türrahmen stehen.
In dem geisterhaften Licht wirkte ihre helle Haut wie Silber. Ein weißes, besticktes Halsband betonte den eleganten Schwung ihres schlanken Halses. Vier lange Seidenbänder hingen aus ihrem Haar herab, doch ein paar Locken hatten sich gelöst und wirkten sehr verführerisch auf ihn. Hinter all der Eleganz gab es noch immer die ungestüme Frau, die er so liebte. Er sehnte sich danach, ihre Flechten zu lösen und sich in ihr zu verlieren.
„Robin?“
Will. Er wollte über Will sprechen.
Aber Marian – er brauchte
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