Verwegene Herzen (German Edition)
flüsterte er und küsste sie noch einmal. „Ich halte Euch für so kühn.“
„Schuft.“
„Vielleicht kümmert sich Scarlet jetzt um Euch. Seid Ihr dankbar, dass ich Euch eingeführt habe?“
„Ich bin nur dankbar, dass aus unseren Begegnungen kein Kind entstanden ist.“
„Meg, Meg, Meg.“ Er presste sie an sich. „Wollt Ihr die Geschichte neu schreiben, indem ihr leugnet, wie sehr ihr Euch an mir erfreut habt?“
Endlich arbeiteten ihr Körper, ihr Verstand und ihr Stolz wieder zusammen. Sie schlug auf seine Arme, wehrte sich, bis er sie losließ – und sie wieder allein in der Dunkelheit stand. „Geht weg von mir.“
„Dann gibt es heute Nacht nichts mehr?“
„Küsst ihn noch einmal, Meg.“ Scarlets klarer Befehl durchdrang die Nachtluft wie ein sirrender Pfeil. „Aber nur, wenn ihr noch mehr Lauge habt.“
9. Kapitel
Verflucht seiest du, Schurke, mich so zu hintergehen.
The Downfall of Robert, Earl of Huntington
Anthony Munday, 1601
S ie wollte sich auflösen, bis niemand sie mehr sehen konnte. Vor allem nicht Will Scarlet. Wenn sie durchsichtig war, könnte sie im Wald verschwinden und mit den Tieren fliehen. Sie würde nicht die Peinlichkeit ertragen müssen, als so lüsternes Geschöpf dazustehen. Welche Leidenschaft sie für Hugo auch immer empfunden haben mochte – Sehnsucht, Hass und Furcht –, für Scarlet empfand sie das Zehnfache.
„Das geht Euch nichts an“, sagte Hugo.
„Was meint Ihr, Meg?“ Sie hörte, wie ein Schwert gezogen wurde.
„Genug. Hugo, ich sehe keinen Grund, unser – unser Gespräch fortzusetzen.“ Sie verabscheute sich, weil sie so zögernd geklungen hatte.
„Keine Sorge“, warf Hugo ein. „Mir entgeht nicht viel, wenn Ihr mir Eure schmutzige Gesellschaft versagt.“
Aus der Ferne hörte man, wie das Abendessen vorbereitet wurde, untermalt von Liedern; der Klang lieferte den Hintergrund für ihr Drama. Scarlet trat näher, kein Geräusch im Wald war lauter als seine Schritte. „Geht.“
Höhnisch lachte Hugo auf. „Ich frage mich, ob das ganze Theater hier bedeutet, dass Ihr die Wahrheit über sie herausgefunden habt.“
„Und die wäre?“
„Wenn Ihr diesen reizvollen Körper berührt, verliert sie jeglichen Stolz.“
Seine Worte trafen sie wie ein Faustschlag, und Meg rang nach Atem. Verlegenheit drohte ihr die Kehle zuzuschnüren. Das Blut rauschte ihr in den Ohren, aber sie hörte dennoch, wie die beiden Gegner einander umkreisten. Laub raschelte unter ihren Füßen. Ein Zweig knackte. Ihr Atem durchdrang die Nacht. Hatte Hugo eine Waffe gezogen?
„Geht zurück, Meg. Fünf Schritte.“
Ohne Widerrede befolgte sie Scarlets Anweisung. Sie hatte jegliches Gefühl für Orientierung verloren. Nur das beunruhigende Gefühl der Angst blieb. „Tut es nicht.“
„Ich bin schon den ganzen Tag schlecht gelaunt“, sagte Scarlet zu Hugo. „Ihr kommt gerade recht, um meine Hiebe zu schlucken.“
„Lieber würde ich gegen euren Onkel kämpfen.“
„Da wären wir schon zwei. Leider haben wir nur einander.“
Stahl traf klirrend auf Stahl, ein Geräusch wie berstendes Glas. Meg zuckte zusammen. Sie stolperte zurück, stieß gegen einen Baum und fühlte die raue Rinde unter ihren Fingerspitzen. Schritte, Hiebe, Stöhnen sprachen von einem Kampf. Sie konnte nicht sehen, wie die Hiebe geführt wurden, daher blieb ihr nichts anderes übrig, als auf das Stöhnen zu warten, wenn eine Klinge auf einen Körper traf. Bei jedem Klirren hielt sie den Atem an.
Einer von beiden stolperte und traf auf etwas Hartes. Einen Baumstumpf? Einen umgestürzten Stamm? Hugo stöhnte auf. Ein Schwert fiel zu Boden, das Geräusch gedämpft vom Waldboden.
„Ich sage es noch einmal“, hörte sie Scarlets Stimme. „Geht jetzt.“
„Wie Ihr wollt.“ Hugo spuckte aus und stöhnte. „Ich verstehe nur nicht, warum sich jemand die Mühe macht, für die verrückte Meg zu kämpfen.“
Scarlet holte tief Luft. „Geht!“
Sie konnte nicht länger einfach nur dastehen. Blindlings gegen eine Eiche zu laufen erschien ihr besser als weiterhin zwischen diesen beiden Männern zu warten. Sie machte kehrt und stolperte tiefer in den Wald.
Trotz seiner Niederlage drehte Hugo sich um und ging davon wie ein Mann, den nichts bekümmerte.
Wills Handflächen waren schweißnass. Am liebsten hätte er sein Schwert zwischen die Augen dieses gerissenen Diebes gerammt. Aber als er so allein am Rand der Lichtung stand, blieb ihm keine andere Wahl, als Meg zu folgen. Er blickte
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