Verwegene Herzen (German Edition)
nach links, um mir zu folgen. Lass auf keinen Fall meine Hand los.“
„Ganz ruhig, Will“, sagte sie und zog den Schleier vors Gesicht. „Hier geht es nur um einen Tanz, und nicht darum, Soldaten zu entkommen.“
„So ist es.“ Er nahm ihre Hand und beobachtete die Tänzer, bis er eine Lücke in dem Kreis entdeckte. „Jetzt!“
Sie liefen in den Saal und fassten die Hände der anderen Tänzer. Die schrillen Klänge der Lauten und Pfeifen trieben sie zu einem immer schnelleren, animalischen Tanz an. Von überall her erklang Gelächter, übertönte beinahe die Musik und die Stimmen der anderen, die sich auch im Saal befanden. Die raschen Bewegungen ließen den Saal zu einem Meer von Schatten und Lichtern verschwimmen.
Will drückte Megs Hand und warf ihr einen raschen Blick zu. Ihr Schleier war vom Kopf gerutscht und flatterte mit einer losen Haarsträhne hinter ihr her. Die Augen geschlossen, den Kopf gereckt, tanzte und sprang sie, als hätte sie nie einen Moment der Angst verspürt. Sie wirkte glücklich, wie damals, als sie sich um sich selbst gedreht hatte, als er sie geküsst, sie ihren Stolz und ihre Furcht abgelegt hatte. Diese Heiterkeit vertrieb Zorn und Misstrauen aus ihrem Gesicht und zeigte die Frau dahinter. Eine hinreißende Frau.
Endlich hatte er einen Grund gefunden, der es wert war, sie nahe bei sich zu behalten.
Die Musik führte sie in großer Runde um den Saal. Als sie sich der Treppe näherten, erkannte Will zwei von Carlisles Waffenträgern. Sie lungerten in einfachen Tuniken dort herum, allem Anschein nach unbewaffnet, doch sie beobachteten die Menge.
Er blickte wieder zu Meg. „Schwindelig?“
„Nein.“
„Gut. Dann noch eine Runde.“
Sie lächelte breit, wie eine Frau, die sich amüsierte.
Weitere atemlose Minuten vergingen in ausgelassenem Tanz. Seine Füße, die an Jacobs enge Stiefel nicht gewöhnt waren, begannen zu schmerzen. Meg jedoch schien nicht müde zu werden. Vielleicht hätte sie weiter getanzt und dabei Wills Hand festgehalten, hätten die Musiker ihren schnellen Rhythmus beibehalten.
Doch die Musik wurde langsamer. Die Querpfeifen setzten zu einer sehnsuchtsvollen Melodie an. Zwei Lauten stimmten ein in das bittersüße Lied, in dem die Harmonien wie Liebende zueinander fanden. Auf der anderen Seite der Halle folgten Männer und Frauen paarweise der Musik. Bekannte, die sich an den Tischen zusammengefunden hatte, hoben die Krüge und erzählten sich Geschichten von längst vergangenen Liebeleien und Abenteuern.
Will ließ die Hand der Frau vor ihm los und löste Meg aus dem Kreis der Tanzenden. Sie fühlte sich warm an in seinen Armen. Kleine Schweißperlen bedeckten ihre Stirn, und ihre Wangen waren von der Anstrengung leicht gerötet. Sie umklammerte seine Unterarme so fest, dass ihre Fingernägel in seine Haut drückten. Er stellte sich vor, wie sie sich auf seiner Brust anfühlen mochten, und stöhnte leise auf.
„Hast du dich wieder verlaufen?“
„Nur ein unbedeutender Umweg“, sagte er. „Sonst nichts.“
„Wie du meinst.“
Liebevoll betrachtete er ihr Gesicht mit dem offenen Lächeln. Noch immer spürte er den bittersüßen Geschmack ihres Kusses auf seinen Lippen, der sein Blut in Wallung brachte und ihn nach mehr verlangen ließ. Genau wie von gutem Wein und feinem Essen wollte er mehr – mehr als gestohlene Küsse und ihre widerstrebende Fügsamkeit. Doch seltsamerweise wurde sein Hunger mit jedem Bissen, den er kostete, nur größer – ein unersättlicher Hunger.
„Was empfindest du jetzt in meinen Armen?“
„Furcht“, sagte sie. Ihr glückliches Lächeln verschwand. Beinahe bedauerte er, die Frage gestellt zu haben, doch ihm gefiel ihre Offenheit. Ein einziges Wort nur. Ein Wort, sehr entschlossen gesagt, ohne Vorspiegelungen und Lügen.
Ja, er wollte mehr.
Will gab ihr einen Kuss auf die Nasenspitze. „Das schaffen wir auch noch.“
„Was meinst du damit?“
„Ich möchte, dass du dich eines Tages in meinen Armen so sicher fühlst wie sonst nirgendwo.“
„Das wird niemals geschehen“, flüsterte sie. „Mit dir bin ich verloren.“
„Nein, das bist du nicht.“ Er umfasste ihr Gesicht und strich zärtlich über ihre Brauen. „Mit mir niemals.“
Sie lächelte. „Nun, was deinen Orientierungssinn betrifft, so haben wir dessen Grenzen ja bereits erforscht.“
Verlangen überkam ihn. Er wollte sie fortbringen von diesen gefährlichen Sälen – zum Teufel mit Gerechtigkeit, Ehre und ihrer seltsamen Schwester.
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