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Verwesung

Verwesung

Titel: Verwesung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Beckett
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irgendeinen Zweck hatte.
    Als ich durch knöcheltiefes Wasser hinter ihm herlief, ging plötzlich die Taschenlampe aus. Ich erstarrte, voller Panik, dass alles nur ein sadistischer Trick gewesen war, um mich irgendwo hier unten in die Irre zu führen.
    Dann hörte ich in der Nähe ein gedämpftes Geräusch und erkannte gleichzeitig einen schwachen Schimmer am Rand des leicht ansteigenden Gangs. Ich schob mich vorsichtig darauf zu und fand mich an einer Felsspalte wieder. Drinnen konnte ich Monks Schritte und sein Keuchen hören.
    Die Spalte führte steil nach oben. Ich musste mich hochziehenund hinter dem immer winziger werdenden Licht von Monks Taschenlampe herklettern. Obwohl ich so schnell machte, wie ich konnte, wurde der Schimmer immer dunkler. Die schroffen Felswände kratzten an meiner Jacke, die Spalte wurde enger. Ich konnte kein Licht mehr sehen und ihn nicht einmal mehr hören. Ich versuchte, die Angst und die Übelkeit runterzuschlucken, die in meiner Kehle aufstiegen.
Bleib ruhig. Geh einfach weiter.
    Dann machte die Spalte einen scharfen Knick, und ein Schimmern über mir führte mich in eine kleine natürliche Felskammer. Ich blieb stehen, denn nach der Dunkelheit blendete mich das schummrige Licht einer Laterne, die auf dem Boden stand. Die feuchte, muffige Luft stank nach tierischen Ausdünstungen. Ein zischender Gasofen erzeugte eine Wärme, die nach der Kälte der Höhlenschächte erstickend wirkte. Nachdem sich meine Augen an das Licht gewöhnt hatten, sah ich, dass der Boden mit Tüten, Flaschen und Dosen übersät war. Monk hockte auf einer zerknitterten Decke und schaute mich mit diesem festgefrorenen Lächeln und den toten Augen an.
    So weit weg von ihm wie möglich kauerte Sophie.
    «O Gott, D-David   …!» Sophie warf sich mir an den Hals, als ich mich vor sie kniete. Sie vergrub ihr Gesicht an meiner Schulter, und ich strich ihr übers Haar und spürte durch ihre Jacke, wie sie am ganzen Körper zitterte.
    «Schsch, ist ja gut.»
    Nichts war gut, doch die Erleichterung, sie zu sehen, verdrängte alles andere. Ihr Gesicht war blass und tränenüberströmt und noch immer geschwollen. Irgendetwas an ihr war anders, aber ich war so froh, sie lebend gefunden zu haben, dass ich den Gedanken nicht weiterverfolgte.
    «Geht es dir gut? Hat er dir wehgetan?», fragte ich.
    «Nein, hat er nicht   … Mir geht’s gut.»
    Das konnte man sich zwar kaum vorstellen, wenn man sie sah und hörte, doch ich war noch eine Spur erleichterter. Keine Ahnung, was Monk vorhatte, aber Sophie war es besser ergangen als seinen anderen Opfern.
    Bisher.
    Er saß auf der Decke und beobachtete uns. Seine verschorften und geschwollenen Pranken baumelten von den Knien. In dem schummrigen gelben Licht der Laterne glich die Delle in seiner Stirn einem dunklen Loch. So wie er dahockte, wirkte er wie ein Relikt der Vorzeit: ein unbehaarter Affe in seiner Höhle.
    Allerdings schien er noch kränker zu sein, als ich gedacht hatte. Seine massigen Schultern hingen vor Erschöpfung herab, und die Haut seines klobigen Gesichts hatte eine ungesunde gelbe Farbe. Er atmete mit offenem Mund und stieß bei jedem Luftholen ein rasselndes Schnaufen aus. Offensichtlich hatte er eine schwere Erkrankung der Atemwege, vielleicht sogar eine Lungenentzündung, die sich unter diesen Umständen nur verschlimmern würde. Monk sah aus wie ein Mensch am Ende seiner Kräfte.
    Nur dass Monk kein normaler Mensch war. Ob krank oder nicht, den dunklen Augen, die uns beobachteten, entging nichts.
    Ich zwang mich, seinen Blick zu erwidern. Es war, als würde man einem Kampfhund in die Augen schauen. «Zwei Geiseln brauchen Sie nicht. Lassen Sie sie gehen.»
    «Ich will keine Geisel», sagte er heiser, und sein Mund verzog sich zu einem höhnischen Grinsen. «Glauben Sie, ich erinnere mich nicht an Sie? Sie sind doch der, der damalsseine kleinen Löcher gebuddelt hat. Jetzt sind Sie nicht mehr so klugscheißerisch, was?»
    Nein, ganz und gar nicht.
«Und warum haben Sie uns hergebracht?»
    «Ich habe sie hergebracht.» Er wies mit dem Kopf auf Sophie. «Sie sind uns nur gefolgt.»
    «Und warum haben Sie mich dann geholt?»
    Monk wandte sich ab, um in die Ecke der Kammer zu spucken, und sank dann wieder zurück an den Felsen. Seine Atmung war gleichmäßiger geworden, klang aber immer noch, als würde Luft aus einem kaputten Gebläse entweichen.
    «Fragen Sie sie.»
    Ich schaute Sophie an. Sie bebte. «Ich   … Wir haben dich rufen gehört. Es ist total

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