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Verwesung

Verwesung

Titel: Verwesung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Beckett
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gibt’s da zu glotzen?»
    Ich schaute schnell weg, hob eine von den Antibiotikapackungen auf und versuchte, unbekümmert zu klingen. «Die werden bei Ihrer Lungeninfektion nicht helfen.»
    «Woher wollen Sie das wissen?»
    «Ich war mal Arzt.»
    «Verarschen kann ich mich alleine.»
    Ich ließ die Tabletten wieder auf den vermüllten Boden fallen. «Gut, dann glauben Sie mir eben nicht. Aber die sind für Blaseninfektionen, nicht für Atemwegserkrankungen.»
    Monks dunkle Augen funkelten. Er schaute hinab auf Sophie, die mit dem Kopf auf meinem Schoß lag.
    «Was ist das?», fragte ich rasch und stieß mit dem Fuß gegen die mit Erde gefüllte Tüte. Es war das Erste, was mir eingefallen war. Und es lenkte seine Aufmerksamkeit von Sophie ab.
    «Fuchspisse», sagte er nach kurzem Zögern.
    «Fuchs   …?»
    Er hob einen Fuß. «Für die Hunde.»
    Das erklärte zumindest zum Teil, warum er so stank. Monk hatte sich mit der Erde eines Fuchsbaus eingeschmiert, um so seine Spur zu verwischen. Erneut hatte ich das Gefühl, ich müsste mich an etwas erinnern, doch ich war zu abgelenkt, um mir Gedanken darüber zu machen.
    «Werden sie dadurch getäuscht?» Ich wusste, dass es nicht so war, aber ich wollte ihn ablenken und zum Reden bringen.
    «Nicht die Hunde. Die Hundeführer.»
    Ich hatte ihn unterschätzt. Polizeihunde waren durchaus in der Lage, ihn ungeachtet solcher Tricks aufzuspüren. Doch wenn ein unerfahrener Hundeführer den charakteristischen Geruch eines Fuchses wahrnahm, konnte er leicht denken, der Hund wäre auf der falschen Fährte.
    «Was ist das hier für ein Ort?», fragte ich. «Ich dachte, in dieser Gegend gibt es keine Höhlen.»
    «Das denkt jeder.»
    Einschließlich der Polizei.
«Haben Sie sich hier auch das letzte Mal versteckt?»
    Er riss den Kopf hoch. «Ich habe mich nicht versteckt! Ich komme immer hier runter!»
    «Weshalb?»
    «Um solche Leute wie Sie nicht zu sehen. Und jetzt halten Sie das Maul.» Er durchwühlte den Müll am Boden und zog einen Schokoriegel hervor. Nachdem er die Verpackung aufgerissen hatte, stürzte er sich darauf, als wäre er am Verhungern. Danach schraubte er eine Wasserflasche auf und legte zum Trinken den Kopf in den Nacken. Als ich seinen Adamsapfel hüpfen sah, spürte ich, wie durstig ich selbst war.
    Monk warf die leere Flasche zur Seite. Er deutete mit einer Kopfbewegung auf Sophie. «Wecken Sie sie auf.»
    «Sie braucht Schlaf.»
    «Soll ich es machen?» Er griff mit seiner blutigen Hand nach Sophie. Instinktiv schlug ich sie weg. Monk rührte sich zwar nicht, durchbohrte mich aber mit seinen Blicken.
    «Sie ist verletzt», sagte ich. «Wenn sie Ihnen helfen soll, braucht sie Ruhe. Sie hatte gerade einen Autounfall, um Gottes willen.»
    «Ich dachte nicht, dass er gleich von der Straße abkommt.» Monk klang beinahe betrübt. Dann schaute er wieder hinab auf Sophie und betrachtete den blauen Fleck auf ihrer Wange. «Was ist mit ihrem Gesicht passiert?»
    «Wissen Sie das nicht? Jemand ist in ihr Haus eingebrochen und hat sie überfallen.»
    Seine dunklen Augen flackerten. Die breite Stirn zog sich in tiefe Falten. «Es war alles kaputt geschlagen. Sie war nicht da. Ich wollte nicht   … Ich kann nicht   …»
    Er verschränkte die Hände über dem geschorenen Kopf und murmelte etwas Unverständliches.
    «Was können Sie nicht?», fragte ich automatisch nach.
    «Ich kann mich nicht erinnern, verdammte Scheiße!» Sein Schreien hallte in der kleinen Kammer wider. Er knallte sich die Handballen gegen den Kopf, als wollte er ihn einschlagen. «Ich versuche es immer wieder, aber da ist nichts! Sie sind doch angeblich Arzt. Was ist los mit mir?»
    Darauf wusste ich keine Antwort. «Ich war nur Allgemeinmediziner, aber es gibt Spezialisten   …»
    «Scheiß auf die!» Speichel spritzte ihm aus dem Mund. «Was wissen diese Wichser in weißen Kitteln schon?»
    Dieses Mal schwieg ich lieber. Seine Erregung schien nachzulassen. Seine großen Hände öffneten und schlossen sich, während er Sophie anschaute. Selbst jetzt war sie nicht aufgewacht.
    «Sie beide   … Sie ist Ihre Freundin.»
    Ich wollte verneinen, doch irgendetwas hielt mich davon ab. Monk schien sowieso keine Antwort zu erwarten.
    «Ich hatte eine Freundin.» Er legte sich beide Hände auf den Hinterkopf. Sein Mund zuckte. «Ich habe sie umgebracht.»

Kapitel 27
    Mit fünfzehn Jahren war Monks Lebensweg vorgezeichnet. Von Geburt an verwaist, war er schon als Kind in doppelter Hinsicht

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