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Verwesung

Verwesung

Titel: Verwesung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Beckett
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wieder da, und dieses Mal hörte es nicht auf. Als es lauter wurde, erkannte ich, dass es Schritte waren.
    «Hier!», schrie ich. «Ich bin hier!»
    Die Krämpfe waren vergessen, als ich in die Finsternisstarrte und mein Herz vor Erleichterung und Aufregung raste. Es schien ewig zu dauern, ehe in der Dunkelheit ein Licht auftauchte.
    Gott sei Dank.
«Hier drüben!»
    Das Licht kam näher, der umherschweifende gelbe Strahl einer Taschenlampe. Erst als er größer wurde, fiel mir auf, dass er aus der falschen Richtung kam, nämlich aus der Tiefe der Höhle und nicht vom Eingang der Mine. Außerdem war es nur ein einzelner Lichtstrahl, und ein Rettungsteam hätte aus mehreren Teilnehmern bestanden.
    Der Ruf erstarb mir im Hals. Angsterfüllte Resignation breitete sich in mir aus. Hinter dem Lichtstrahl konnte ich nun einen kahlen Schädel und eine massige Gestalt erkennen, die gebeugt unter den herabhängenden Felsen näher kam. Ein paar Meter entfernt blieb sie stehen. Ich nahm einen ranzigen, animalischen Gestank wahr.
    Monk senkte seine Taschenlampe. Die verschmutzte Armeejacke wirkte zu klein für seine kräftigen Schultern und Arme. Während mich die Knopfaugen musterten, hob und senkte sich seine Brust. Jeder Atemzug wurde von einem dumpfen Schnaufen begleitet.
    «Aufstehen.»
     
    Das Höhlensystem war ein unterirdisches Labyrinth, doch Monk schien genau zu wissen, wohin er wollte. Er zwängte sich durch schmale Spalten und kroch Passagen entlang, in denen das Wasser von der Decke tropfte. Nicht einmal blieb er stehen, und er schlüpfte durch Löcher, durch die ich mich allein niemals gewagt hätte. Unter freiem Himmel mochte er ein Ausgestoßener sein, doch hier, in den unterirdischen Schächten, war er offenbar in seinem Element.
    Nach dem ersten knappen Befehl hatte er kein Wort mehr gesagt. Ohne auf meine verzweifelten Fragen nach Sophie einzugehen, hatte er sich einfach umgedreht und war zurück in die niedrige Höhle gegangen, als wäre es ihm gleichgültig, ob ich ihm folgte oder nicht. Völlig verdutzt war ich sitzen geblieben. Erst als es in der Höhle wieder dunkel geworden war und das Licht der Taschenlampe sich immer weiter entfernt hatte, war ich ihm widerwillig gefolgt.
    Monk schaute sich nicht um, obwohl er mich gehört haben musste. Ich verstand überhaupt nichts mehr. Warum war er zurückgekommen? Weshalb führte er mich – und wohin? Das ergab alles keinen Sinn. Der Gedanke, tiefer in die Höhle vorzudringen, entsetzte mich, doch was blieb mir anderes übrig, als ihm zu folgen? Er hätte mich längst umbringen können, wenn es ihm nur darum gegangen wäre.
    Außerdem musste ich Sophie finden.
    Der Gang, in dem wir uns befanden, öffnete sich mit einem Mal in einen Raum, der hoch genug war, um aufrecht zu stehen. Monk ging ohne innezuhalten weiter. Ich nutzte die Gelegenheit, um ihn einzuholen.
    «Wo ist sie?», fragte ich keuchend.
    Er antwortete nicht. Auch ihn strengte der Weg offenbar an, bei jedem Atemzug war ein dumpfes, feuchtes Rasseln zu hören. Langsamer wurde er allerdings nicht. Als ich ihn festhielt, fühlte sich sein Arm unter dem schmierigen Stoff wie ein Stück Holz an. «Was haben Sie ihr angetan? Ist sie verletzt?»
    Er machte sich los, was ihm keine Mühe zu bereiten schien, während es mich von den Beinen riss. Ich krachte der Länge nach auf den Felsboden und schürfte mir Hände und Knie auf.
    «Maul halten.» Seine Stimme war ein heiseres Brummen. Er drehte sich um und wollte weiter, krümmte sich aber mit einem Mal und begann fürchterlich zu husten. Er lehnte sich gegen die Felswand, seine breiten Schultern bebten unter der Heftigkeit des Anfalls. Als er Schleim auf den Boden spuckte, klang es, als wären seine Lungen voll davon. Schwer atmend fuhr er sich mit einer Hand über den Mund, ehe er weiterging, als wäre nichts gewesen.
    Nach einem Augenblick folgte ich ihm. Doch jetzt musste ich an das schnaufende Atmen denken, das ich über das Telefon gehört hatte, und an die Speichelflecken, die von der Polizei in Wainwrights Haus entdeckt worden waren. Jeder hatte sie für ein Zeichen der Verachtung gehalten, aber ich war mir nicht mehr so sicher.
    Monk war krank.
    Dadurch wurde er jedoch weder ungefährlicher noch langsamer. Ich musste mich anstrengen, um mit ihm Schritt zu halten, aber ich wusste, dass ich ohne ihn verloren wäre. Es blieb mir nichts anderes übrig, als meinen Blick auf Monks breiten Rücken zu heften und darauf zu vertrauen, dass dieser Marsch

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