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Verwesung

Verwesung

Titel: Verwesung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Beckett
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hellhörig hier. Als es still wurde, dachte ich   … dachte ich   …» Sie sah mich verzweifelt an. Erneut spürte ich eine plötzliche Unruhe, die nichts mit Monk zu tun hatte. «Ich habe ihm gesagt   … ich habe ihm gesagt, dass du ihm helfen kannst.»
    «Was?»
    Sophie schaute nervös in seine Richtung. «Er   … er behauptet, er kann sich nicht   …»
    «Nein, er
behauptet
nicht, ich
behaupte
nicht, verdammte Scheiße! Ich
kann
nicht!» Sein Schreien hallte in der kleinen Kammer nach. «Ich versuche es, aber ich
kann
nicht! Es ist nichts da! Vorher war es egal, aber jetzt nicht mehr.»
    Monk fuhr sich mit seinen verschorften Händen über die Stoppeln, die ihm auf dem Kopf gewachsen waren. Seine Lippen bewegten sich, als würden ihm die nächsten Worte schwerfallen.
    «Ich will wissen, was ich getan habe.»
     
    Zeit schien in der Höhle nicht zu existieren. Ich musste irgendwo mit meiner Uhr angestoßen sein, denn das Zifferblatt war zerbrochen und das Glas angelaufen. Die Zeiger bewegten sich nicht mehr und waren zwischen zwei und drei Uhr stehen geblieben. Aber hier unten hätte sie mir sowieso nicht viel genützt. Das Licht der Laterne erzeugte eine gespenstische Atmosphäre in der kleinen Kammer, die durch die einschläfernde Wärme des Gasofens noch verstärkt wurde. Die Dämpfe taten Monks Atembeschwerden bestimmt nicht gut, doch es gab genug Luftzug, dass wir nicht erstickten.
    Immerhin etwas.
    Ich saß auf einer zusammengerollten Plastikplane an den Felsen gelehnt, während sich Sophie an mich geschmiegt hatte. Monk hatte sich nach seinem Ausbruch beruhigt. Er wirkte erschöpft und saß vornübergebeugt da, den Kopf zwischen den angewinkelten Knien, um die er seine Arme geschlungen hatte. In dieser Position sah er seltsam verletzlich aus. Seit einer Weile hatte er sich nicht mehr gerührt, und da er zwar pfeifend, aber gleichmäßig atmete, nahm ich an, dass er eingeschlafen war. Trotzdem beobachtete ich ihn aufmerksam, als ich mich zu Sophie hinabbeugte.
    «Was hat er gemeint?», flüsterte ich.
    «Ich   … ich weiß es nicht.»
    Ich hielt meine Stimme gesenkt, ohne Monk aus den Augen zu lassen. «Er muss doch etwas gesagt haben. Warum will er Hilfe? Und wofür?»
    «Ich weiß es wirklich nicht. Mir   … mir ist so schlecht. Und das Licht ist zu grell.»
    Ich setzte mich so hin, dass ich die Laterne abschirmte. «Sophie, das ist wichtig. Du musst es mir sagen.»
    Sie massierte ihre Schläfen und schaute ängstlich hinüber zu Monk. «Er meint, er kann sich nicht daran erinnern, die Mädchen umgebracht zu haben. Es sind nicht nur die Gräber, er kann sich an nichts erinnern! Er will   … er glaubt, ich kann ihm helfen, weil ich gesagt habe, ich könnte ihm helfen, die Gräber zu finden, auch wenn er vergessen hat, wo sie sind. Aber ich meinte doch nicht, dass ich ihm helfen kann, seine
Erinnerung
zurückzukriegen! Mein Gott, ich fasse es nicht!»
    Ich spürte, wie sie zitterte. Ich zog sie an mich. «Erzähl weiter.»
    Sophie rieb sich die Augen. «Deswegen hat er diese Löcher in der Nähe von Tina Williams’ Grab gebuddelt. Er glaubt   … er glaubt, wenn er die Gräber findet und die Leichen sieht, könnte er sich vielleicht erinnern. Deshalb ist er uns auch gefolgt, als er uns da draußen gesehen hat. Er wusste, dass ich das sein musste. Aber so etwas kann ich nicht, das hatte ich doch nicht gemeint!»
    «Schsch, ich weiß.» Ich streichelte ihr den Rücken und beobachtete dabei Monk. «Was meinte er damit, als er sagte, es wäre vorher egal gewesen, aber jetzt nicht mehr?»
    «Keine Ahnung. Aber ich habe ihm gesagt, dass du helfen könntest. Als ich dich rufen gehört habe. Etwas anderes ist mir nicht eingefallen. Mein Gott, es tut mir so leid, das ist alles mein Fehler!»
    Ich hielt sie fest, während sie weinte und dann erschöpft einschlief. Auch ich war erledigt und mit meinen Kräften am Ende, aber ich musste wach bleiben. Ich starrte hinüber zu dem reglosen Monk und überlegte verzweifelt, was ich tun sollte. Man hatte immer angenommen, dass er log, als er gesagt hatte, er könne sich nicht erinnern, wo die Bennett-Schwesternvergraben waren. Jetzt war ich mir nicht mehr sicher.
    Doch das half uns nicht weiter. Selbst wenn Monk tatsächlich an einer Art Amnesie litt, konnte Sophie nichts für ihn tun. Sie war psychologische Beraterin gewesen, keine Psychiaterin. Sie war genauso wenig dazu in der Lage, seine Erinnerungen wachzurufen, wie ich. Früher oder später würde ihm

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