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Verwesung

Verwesung

Titel: Verwesung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Beckett
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mir, dass es nicht mehr weit sein konnte. Die Spalte wurde zunehmend enger. Ich konnte die massiven und unnachgiebigen Wände spüren, die mir gegen die Brust drückten.
Denk nicht darüber nach. Geh einfach weiter.
Doch je weiter wir kamen, desto schwerer wurde es. Auf dem zerklüfteten Boden drohte ich zu stolpern, und für uns beide reichte der Platz zwischen den vertikalen Felsplatten nicht mehr, jedenfalls nicht, solange ich Sophie festhielt.
    Ich zwang mich, ruhig zu bleiben. «Sophie, ich muss dich loslassen. Du musst für ein paar Sekunden alleine stehen.»
    Meine Stimme klang zwischen den Felsen seltsam flach. Sie antwortete nicht.
    «Sophie, los, wach auf!» Doch Sophie bewegte sich nicht. Jetzt, wo ich stehen geblieben war, lag sie wie ein totes Gewicht in meinem Arm, und es fiel mir immer schwerer, sie aufrecht zu halten. Wenn die Wände der Felsspalte nicht gewesen wären, sie wäre mir wahrscheinlich weggesackt. Ich tastete mit einer Hand nach dem Riechsalz in meiner Tasche und versuchte verzweifelt, weder das Fläschchen noch die Taschenlampe fallen zu lassen. Als ich das Fläschchen mit den Zähnen öffnete, tränten mir die Augen von dem Ammoniakgestank, obwohl ich die Luft anhielt. Dann hielt ich es Sophie unter die Nase.
Komm schon. Bitte.
    Sie reagierte nicht. Nach einer Weile senkte ich das Riechsalz.
Okay, keine Panik. Denk nach.
Meine einzige Möglichkeit war, mich zuerst allein durch den schmalen Abschnitt zu zwängen und sie irgendwie hinter mir herzuziehen. Doch wenn ich sie losließ, und sie brach zusammen   …
    Es ist so eng, dass sie nicht hinfallen kann, außerdem kannst du hier nicht ewig stehen bleiben! Tu es einfach!
Mein Arm wurde schon taub. Ich versuchte ihn unter ihrer Schulter hervorzuziehen.
Du kannst es. Ganz ruhig.
Mein Jackenärmel schabte über den rauen Fels, doch sosehr ich mich auch anstrengte, ich konnte meinen Arm nicht befreien. Als ich mich ein wenig drehte, um einen größeren Hebel zu haben, spürte ich die Felswände wie einen Schraubstock um meinen Oberkörper. Für einen Augenblick konnte ich mich gar nicht mehr bewegen, dann drehte ich mich zurück in meine vorherige Position und scheuerte mir dabei die Knöchel auf.
    O Gott.
Ich schloss die Augen und rang nach Atem. Es schien nicht genug Luft zu geben. Ich sah Sterne funkeln. Als ich merkte, dass ich zu hyperventilieren begann, zwang ich mich, ruhiger zu atmen.
Um Himmels willen, werd nicht ohnmächtig.

Allmählich normalisierte sich mein Herzschlag. Ich machte die Augen auf. Beleuchtet von der Taschenlampe, war die Felswand nur Zentimeter vor meinem Gesicht. Ich konnte ihre schroffe, harte Struktur sehen und ihre salzige Feuchtigkeit riechen. Ich fuhr mir mit der Zunge über die Lippen.
Na los, denk nach!
Aber mir fiel nichts mehr ein. Mein Arm war völlig abgestorben. Sophie war bewusstlos und direkt neben mir eingeklemmt. Ich konnte weder vor noch zurück.
    Wir steckten fest.
    Als ich plötzlich ein Schimmern sah, spähte ich über Sophies Kopf und sah einen Lichtstrahl, der in die Spalte hinter uns leuchtete und die Unebenheiten der Felsen überdeutlich hervortreten ließ. Ein leises Kratzen war zu hören, begleitet von einem schweren, keuchenden Atem.
    Nach einer Weile schob sich Monk in mein Blickfeld. Er klemmte seitlich in der schmalen Spalte und zwängte sich mit verzerrtem Gesicht in unsere Richtung. Für mich war es schon eng gewesen, wie es für ihn sein musste, konnte ich mir nicht vorstellen.
    Er sagte nichts, bis er bei Sophie war. Während er die Taschenlampe festhielt, streckte er eine Pranke aus und packte sie an der Schulter.
    «Ich hab sie   …»
    Er keuchte gequält, und ich spürte, wie mir der größte Teil ihres Gewichts abgenommen wurde. Ich zog meinen Arm hinter ihrem Rücken hervor, schürfte mir dabei meine Knöchel noch mehr am Felsen auf, doch dann war ich frei. Als ich meine Finger dehnte und sie mit einem Mal wieder durchblutet wurden, musste ich die Zähne zusammenbeißen.
    «Los   …», schnaufte Monk. Er hielt Sophie aufrecht,während ich mich durch die Felswände zwängte. Als sie sich noch mehr verengten, blieb meine Jacke hängen, aber dann kroch ich weiter, und die Spalte wurde breiter. Erleichtert holte ich Luft und richtete meine Taschenlampe zurück auf Monk und Sophie.
    Er hatte den Mund weit geöffnet und rang verzweifelt nach Atem, denn die Felsen schnürten ihm seine massige Brust ein. Aber er sagte nichts, als ich mit einer Hand Sophies Jacke packte und die

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