Verwesung
Wut so schnell, wie sie aufgekommen war.
«David …?»
«Ich bin hier.» Ich hatte Blut im Mund, mein Kiefer pochte, doch ich rappelte mich auf und ging zu ihr hinüber. Dieses Mal hielt mich Monk nicht zurück.
Sophie rieb sich den Kopf, die Stirn vor Schmerzen zerfurcht. «Ich fühle mich nicht besonders», sagte sie undeutlich, und dann übergab sie sich.
Ich hielt sie fest, bis es vorüber war. Sie stieß eine Art Stöhnenoder Schluchzen aus und schirmte ihre Augen vor dem Laternenlicht ab. «Mein Kopf … er tut total weh.»
«Schau mich an, Sophie.»
«Es tut weh.»
«Ich weiß, aber bitte schau mich an.»
Ich strich ihr das Haar aus dem Gesicht. Blinzelnd öffnete sie die Augen. Ich erschrak. Während ihre linke Pupille normal war, war ihre rechte deutlich erweitert.
O Gott.
«Was ist los mit ihr?», wollte Monk wissen. Er klang misstrauisch und schien das Ganze für einen Trick zu halten.
Ich holte tief Luft, während Sophie versuchte, sich vom Licht wegzudrehen.
Bleib ruhig. Verlier jetzt nicht die Beherrschung.
«Ich glaube, es ist ein Hämatom.»
«Ein was?»
«Eine Gehirnblutung. Wir müssen sie ins Krankenhaus bringen.»
«Halten Sie mich für bescheuert?» Monk wollte nach ihrem Arm greifen.
«Finger weg!», fuhr ich ihn an und stieß ihn zur Seite.
Jedenfalls versuchte ich es. Es war, als wollte ich einen Stier wegschieben. Doch er starrte mich nur reglos an. Dieses Verharren hatte ich schon zuvor an ihm erlebt, meistens war er danach durchgedreht.
«In ihrem Kopf sammelt sich Blut», sagte ich mit bebender Stimme. «Es könnte beim Autounfall oder schon vorher passiert sein. Aber wenn nichts dagegen unternommen wird …»
Wird sie sterben
. «Ich muss sie hier rausbringen. Bitte.»
Monks Mund zuckte verärgert, sein Schnaufen wurde stärker. «Sie sind Arzt, können Sie nichts machen?»
«Nein, sie muss operiert werden.»
«Scheiße!» Er schlug mit der Hand gegen die Wand. In der kleinen Kammer hallte es wie ein Schuss.
«Scheiße!»
Ich achtete nicht auf ihn. Sophie war gegen mich gesackt. «Sophie? Hey, du musst wach bleiben.»
Wenn sie hier unten das Bewusstsein verlor, würde ich es niemals schaffen, sie nach draußen zu bringen. Sie rührte sich schwach. «Ich will nicht …»
«Komm schon, du musst aufrecht sitzen. Wir werden hier rausgehen.»
Monk stieß mir mit der Hand gegen die Brust. «Nein! Sie wollte mir helfen!»
«Sieht sie aus, als könnte sie irgendwem helfen?»
«Sie bleibt hier!»
«Dann wird sie sterben!» Ich zitterte, aber jetzt vor Wut. «Sie hat versucht, Ihnen zu helfen. Wollen Sie noch mehr Unheil anrichten?»
«Maul halten!»
Ich sah seine Faust kommen, aber ich hatte keine Chance, ihr auszuweichen. Ich zuckte nur zusammen, als sie an meinem Gesicht vorbeiflog, sein Jackenärmel streifte meine Wange, und dann gegen den Stein direkt neben meinem Kopf krachte.
Ich bewegte mich nicht. Das einzige Geräusch war Monks rasselndes Schnaufen. Ich konnte seinen stinkenden Atem riechen. Mit wogender Brust ließ er seinen Arm fallen und trat einen Schritt zurück. Blut tropfte von seiner Hand. Sie war bestimmt gebrochen, denn dieses Mal hatte er die Wand frontal getroffen.
Aber er ließ sich keinen Schmerz anmerken. Er betrachtete die geschwollenen Knöchel, als würden sie nicht zuihm gehören, und schaute dann hinab auf Sophie. Trotz seiner Größe hatte er etwas Trauriges an sich. Etwas Resigniertes.
«Sie hätte sowieso nicht helfen können, oder?», fragte er. «Es hätte nichts gebracht.»
Ich suchte nach einer sicheren Antwort, gab es dann aber auf. «Nein.»
Monk senkte den Kopf. Als er ihn wieder hob, war sein gruseliges Gesicht unergründlich. «Gehen wir.»
Ich nahm die Taschenlampe und eines der Riechsalzfläschchen, um Sophie aufzuwecken. Sie stöhnte protestierend und versuchte, ihren Kopf wegzudrehen. Das Ammoniak war bestenfalls eine vorübergehende Maßnahme, es würde ihr aber auch nicht schaden. Und sie musste so wach wie möglich sein.
Viel Zeit blieb uns nicht.
Nach Kopfverletzungen besteht immer die Gefahr von Hämatomen. Manche bilden sich sehr schnell, andere über Wochen. Es handelt sich um langsam anschwellende Blutblasen im Schädel, die Druck auf das Gehirn ausüben. In Sophies Fall hatten sie sich wohl während der letzten Tage gebildet. Entweder waren sie zu klein gewesen, um bei den Untersuchungen im Krankenhaus entdeckt zu werden, oder sie hatte sich selbst entlassen, bevor jemand darauf gekommen
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