Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Verwesung

Verwesung

Titel: Verwesung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Beckett
Vom Netzwerk:
vorhaben, könnten Sie ja am Sonntag zum Mittagessen vorbeikommen, was meinen Sie?»
    «Wir kommen sehr gern», sagte Wainwright.
    Als wäre Simms plötzlich eingefallen, dass ich auch noch da war, wandte er sich im letzten Moment an mich. «Haben Sie dem noch etwas hinzuzufügen, Dr.   Hunter?»
    Ich schaute zu Wainwright. Er betrachtete mich höflich und neugierig, doch in seinem Blick lag eine gehässige Zufriedenheit.
Na schön, wie du willst   …
    «Nein.»
    «Dann lasse ich Sie jetzt allein», sagte Simms. «Wir fangen morgen in aller Frühe an.»

Kapitel 3
    In mir brodelte es noch, als ich später am Abend den Pub erreichte, in dem ich untergebracht worden war. Er lag ein paar Kilometer vom Black Tor entfernt in einem Ort namens Oldwych, eine Fahrt von weniger als zwanzig Minuten, wie man mir gesagt hatte. Doch entweder war die Wegbeschreibung zu ungenau, oder ich hatte mich irgendwo verfahren, denn erst nach einer Dreiviertelstunde sah ich die spärlichen Lichter in der Dunkelheit vor mir.
    Wurde auch Zeit.
Es war ein langer Tag gewesen, und in der absoluten Finsternis durchs Moor zu fahren, hatte meine Laune nicht gerade verbessert. Mich wurmte noch, wie ich mich von Wainwright hatte ausbooten lassen. Bei seinem Ruf hätte ich eigentlich darauf gefasst sein müssen. Ein dunstiger Nieselregen sprenkelte die Windschutzscheibe und brach das grelle Licht der Scheinwerfer, als ich auf den Parkplatz des Pubs bog. Über der Tür hing ein abgeblättertes Schild, die Worte
The Trencherman’s Arms
waren kaum noch zu lesen.
    Von außen sah der Pub nach nichts Besonderem aus, ein langes, niedriges Gebäude mit schmuddeligen, weißgetünchten Mauern und einem durchhängenden Strohdach. Der erste Eindruck bestätigte sich, als ich durch die abgeschabteund quietschende Tür trat. Zu dem Gestank nach schalem Bier passten die abgenutzten Teppiche und die Pferdegeschirre an den Wänden. Die Gaststube war leer, der Kamin kalt. Aber ich hatte schon an schlimmeren Orten übernachtet.
    Dachte ich da jedenfalls noch.
    Der Wirt war ein griesgrämiger Mann um die fünfzig und, abgesehen von seinem erstaunlichen Bierbauch, der so hart wie eine Bowlingkugel aussah, furchtbar dürr. «Wenn Sie was essen wollen, die Küche macht in zwanzig Minuten dicht», sagte er pampig und schob einen kaputten Schlüsselring über die abgewetzte Theke.
    Das Zimmer war in etwa so, wie ich erwartet hatte: nicht besonders sauber, aber auch nicht so verdreckt, dass man sich beschweren konnte. Das Bett quietschte, als ich meine Tasche abstellte, und die Matratze gab schon unter diesem geringen Gewicht nach. Ich hätte mich gerne geduscht, doch im Gemeinschaftsbad gab es nur eine Wanne mit Rostflecken, außerdem war ich hungrig.
    Aber Essen und Frischmachen mussten warten. Mein Handy hatte Empfang – immerhin etwas. Ich schob den harten Stuhl vor den kleinen Heizlüfter und rief zu Hause an.
    Ich versuchte immer zur gleichen Zeit anzurufen, damit Alice einen möglichst gleichmäßigen Tagesrhythmus hatte. Kara arbeitete drei Tage in der Woche im Krankenhaus, ihre Arbeitszeiten ermöglichten es ihr jedoch, unsere Tochter von der Schule abzuholen, wenn ich unterwegs war. Sie war Radiologin, weshalb wir lange Diskussionen gehabt hatten, als sie schwanger wurde. Eigentlich hatten wir erst in ein paar Jahren Kinder haben wollen, weil ich hoffte, dann genugAufträge von der Polizei zu bekommen und neben meinem Universitätsgehalt so viel zu verdienen, dass Kara zu Hause bleiben und sich um das Baby kümmern konnte.
    Wie so häufig war alles anders gekommen als geplant. Aber wir beide bereuten es nicht. Obwohl Kara eigentlich nicht mehr arbeiten musste, hatte ich keine Einwände gehabt, dass sie wieder als Teilzeitkraft anfing, sobald Alice in die Schule kam. Sie mochte ihren Beruf, und ihr Gehalt konnten wir auch brauchen. Und so sehr, wie mich mein Job in Anspruch nahm, hätte ich ihr den Wunsch, wieder zu arbeiten, kaum abschlagen können.
    «Das passt ja», sagte Kara, als sie abnahm. «Hier ist eine junge Dame, die gehofft hat, dass du anrufst, bevor sie ins Bett geht.»
    Ich lächelte, als sie den Hörer weiterreichte.
    «Papa, ich habe dir ein Bild gemalt!»
    «Das ist ja toll! Ist es wieder ein Pferd?»
    «Nein, ich habe unser Haus gemalt, nur dass es gelbe Vorhänge hat, weil ich die schöner finde. Mami hat gesagt, ihr gefallen sie auch besser   …»
    Ich spürte, wie mein Ärger und meine Frustration ein wenig verebbten, als ich den aufgeregten

Weitere Kostenlose Bücher