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Verwesung

Verwesung

Titel: Verwesung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Beckett
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zusammengearbeitet, in Dartmoor.»
    Als er nicht reagierte, versuchte ich es weiter.
    «Es war der Jerome-Monk-Fall. Detective Chief SuperintendentSimms war der Ermittlungsleiter. Erinnern Sie sich?»
    Nichts. Wainwright starrte weiter aufs Meer und machte nicht den Eindruck, etwas gehört zu haben. Seufzend schaute ich auch aus dem Fenster. Der Blick war wirklich spektakulär. Am kalten blauen Himmel kreisten Möwen, kleine, dunkle Flecken über den blaugrünen Wellen. Unabhängig vom Wetter und unabhängig davon, was passierte, das Meer würde immer da sein. Der Verfall des Archäologen war bedauernswert, aber es gab schlechtere Orte, um sein Lebensende zu verbringen.
    «Ich kenne Sie.»
    Ich schaute überrascht auf. Der große Kopf hatte sich in meine Richtung gedreht. Wainwright schaute mir direkt in die Augen.
    «Ja, Sie kennen mich», sagte ich. «David Hunter. Ich bin   …»
    « Calliph   …
,
Calli   …
, Maden.» Er hatte noch den gleichen sonoren Bariton, obwohl er jetzt etwas heiserer klang, so als wäre er eingerostet.
    «Maden», wiederholte ich zustimmend.
    «Alles faul.»
    Ich musste lächeln. Vielleicht bezog sich ‹faul› auf den Lebensraum der Schmeißfliegenlarven, doch ich bezweifelte es. Ob dement oder nicht, manche Dinge hatten sich nicht verändert.
    Jetzt huschten seine Augen umher, als würde in ihm etwas erwachen. Seine hohe Stirn legte sich konzentriert in Falten.
    «Fallwild   …»
    Ich nickte nur, ohne zu wissen, was er meinte. Offenbarschweiften seine Gedanken schon wieder ab. Er starrte mich finster an und knallte seine Hände auf die Sessellehnen. «Nein! Hören Sie zu!»
    Er hatte versucht, sich aus dem Sessel zu stemmen. Ich erhob mich und trat zu ihm. «Schon in Ordnung, Leonard, beruhigen Sie sich.»
    Seine Arme waren spindeldürr, und er verströmte einen säuerlichen Geruch. Doch als er mein Handgelenk packte, war sein Griff wie ein Schraubstock
    «Fallwild!», zischte er und spuckte mich an.
«Fall
wild

    Die Tür des Arbeitszimmers flog auf, und seine Frau kam hereingeeilt. «Jetzt beruhige dich, Leonard, hör mit diesem Unsinn auf.»
    «Verfluchte Frau!»
    «Bitte, Leonard, benimm dich!» Sie drückte ihn sanft, aber entschieden zurück in den Sessel. «Was ist passiert? Haben Sie etwas gesagt, was ihn verärgert hat?»
    «Nein, ich habe nur   …»
    «Irgendetwas muss ihn aufgebracht haben. Normalerweise ist er nicht so aufgeregt.» Sie musterte mich, während sie ihrem Mann, der sich allmählich wieder beruhigte, übers Haar strich. Sie war immer noch höflich, wirkte jetzt jedoch absolut kühl. «Es tut mir leid, Dr.   Hunter, aber ich glaube, es ist besser, wenn Sie gehen.»
    Ich zögerte einen Moment, aber mir blieb keine Wahl. Ich ließ die beiden im Arbeitszimmer allein und ging hinaus zu meinem Wagen. Es war immer noch heiter und sonnig, doch als ich die Auffahrt hinabfuhr und mich vom Haus entfernte, hatte ich die ganze Zeit den schweren, süßen Geruch der Chrysanthemen in der Nase.

Kapitel 14
    Auf dem Rückweg nach Exeter achtete ich kaum auf die schöne Küstenlandschaft. Ich hatte Sophie versprochen, noch einmal im Krankenhaus vorbeizuschauen, und ich hoffte, mich dadurch von dem unglückseligen Besuch bei Wainwright abzulenken. Ich hatte den Archäologen nicht durcheinanderbringen wollen, aber allein mich zu sehen, hatte offenbar genügt, um ihn aufzuregen. Vor Jahren hatte ich den hippokratischen Eid geleistet, immer zum Wohle des Kranken zu handeln.
    Das war mir heute eher nicht gelungen.
    Die Parkplatzsuche am Krankenhaus dauerte fast genauso lange wie die Fahrt von Torbay hierher. Als ich in Sophies Zimmer kam, sah ich, dass der Vorhang vor ihrem Bett zugezogen war. Ich blieb stehen, weil ich dachte, ein Arzt wäre bei ihr, bis ich die leisen, aber wütenden Stimmen dahinter hörte.
    «Hallo?», sagte ich unsicher.
    Die Stimmen verstummten. Nach einem Moment wurde der Vorhang aufgezogen.
    Die junge Frau, die hervortrat, war beinahe eine Doppelgängerin von Sophie. Sie hatte die gleiche Haarfarbe, die gleiche Gesichtsform und die gleichen Augen. Doch obwohlihre Züge unverkennbar aus dem gleichen Holz geschnitzt waren, wirkten ihre gleichzeitig kantiger und runder als Sophies. Und sie betrachtete mich angespannt und abweisend. «Ja?»
    «Ich wollte Sophie besuchen», sagte ich. «Ich bin   …»
    «David!», hörte ich Sophie rufen. «Alles in Ordnung, Maria.»
    Die Frau presste die Lippen zusammen, trat aber zur Seite, um mich vorbeizulassen.

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