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Verwesung

Verwesung

Titel: Verwesung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Beckett
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Sophie saß auf dem Bett, neben ihr stand eine offene Ledertasche. Sie trug einen Pullover und Jeans, die ihr irgendwie nicht richtig passten, auch wenn ich nicht hätte sagen können, weshalb. Sie sah noch immer erschöpft aus, und die Schwellung an ihrer linken Gesichtshälfte hatte sich noch tiefer verfärbt. Dennoch schien es ihr eindeutig besserzugehen als bei meinem letzten Besuch.
    Als sie mich anlächelte, wirkte sie vor allem erleichtert. «Danke fürs Kommen, David. Das ist meine Schwester Maria.»
    Jetzt, wo ich sie zusammen sah, waren die Unterschiede auffälliger als die Ähnlichkeiten. Sophies Schwester wirkte älter. Mit sechzehn war sie wahrscheinlich umwerfend schön gewesen, allerdings eher auf eine schlichte Weise, der das Alter nicht gut bekam. Die Gene, die für Sophies schlanke Gliedmaßen und den feinen Knochenbau gesorgt hatten, hatten ihre ältere Schwester offensichtlich übergangen. Die Falten, die sich bereits in ihrem Gesicht gebildet hatten, zeugten von Enttäuschung und Unrast. Wie zum Ausgleich waren ihre Kleider elegant und teuer und ihre manikürten Fingernägel messerscharf.
    Ich überlegte, ob ich ihr die Hand geben sollte, entschiedmich aber schnell dagegen. Die Spannung zwischen den beiden Frauen war so stark, vermutlich konnte man einen Schlag kriegen, wenn man ihnen zu nahe kam.
    «David ist ein alter Freund», sagte Sophie nach einer unangenehmen Pause.
    «Gut. Vielleicht kann er dich zur Vernunft bringen.»
    Sophie schien es peinlich zu sein. «Jetzt nicht, Maria.»
    «Wann dann? Bei deinem Zustand kannst du dich nicht einfach selbst entlassen, geschweige denn allein in diesem Haus bleiben!»
    Sophie stöhnte verärgert auf. «Mir geht’s gut. Und ‹die ses Haus› ist mein Zuhause.»
    «Wo einfach jemand reinspazieren und dich überfallen konnte! Und dahin willst du zurück? Du kannst bloß nicht zugeben, dass es ein Fehler war, ans Ende der Welt zu ziehen! Ich wette, du hast dir nicht mal überlegt, wie du hinkommen willst, oder?»
    «David fährt mich», platzte Sophie heraus.
    Maria sah mich an. «Aha. Und werden Sie auch bei ihr bleiben?»
    Ich versuchte, meine Überraschung zu verbergen. Hinter ihrer Schwester schaute mich Sophie flehend an. «Eine Weile», sagte sie dann schnell und fügte, in leichter Abwandlung der Wahrheit, hinzu: «David ist Arzt. Siehst du, alles ist in Ordnung.»
    «Das hättest du auch gleich sagen können.» Maria seufzte und beruhigte sich allmählich. «Okay, ich rege mich sowieso nur umsonst auf. Ich hoffe, Sie haben mehr Glück mit ihr, David.»
    Da es mir am sichersten erschien, nichts zu sagen, lächelte ich bloß. Dieses Mal reichte mir Maria die Hand.
    «Es war trotzdem nett, Sie kennenzulernen. Entschuldigen Sie, wenn ich ein bisschen herrisch gewirkt habe, aber ich mache mir einfach Sorgen um Sophie.»
    «Kein Problem, das ist doch für eine große Schwester ganz normal.»
    Ihr Lächeln erstarb. «Du weißt, wo ich bin, wenn du mich brauchst», blaffte sie Sophie an.
    Polternd marschierte sich aus dem Krankenzimmer. Verdutzt schaute ich Sophie an. «Habe ich etwas Falsches gesagt?»
    Sie hatte sich die Hände vor die Augen gelegt. «Maria ist zwei Jahre jünger als ich.»
    Der Tag wurde immer besser. «O Gott. Ich muss mich entschuldigen   …»
    Doch Sophie lachte nur. «Keine Sorge. Sie benimmt sich ja auch, als wäre sie die Ältere, schon immer, und das ist ein Teil des Problems.»
    «Und der andere Teil?»
    «Bin wohl ich», sagte sie. Ihr Lächeln versiegte. «Sie hält mich für verantwortungslos und impulsiv. Was soll man dagegen sagen? Wir sind einfach völlig verschieden. Sie hat zwei süße Kinder, um die sich ein Kindermädchen kümmert, und gibt gerne Dinnerpartys. Ganz das Gegenteil von mir. Wir haben nicht einmal den gleichen Klamottengeschmack.» Sie schaute an sich hinab. Jetzt verstand ich, warum ihr die Jeans und der Pullover nicht standen. Sie gehörten ihrer Schwester.
    «Sie wollen sich also selbst entlassen?», fragte ich.
    «Die Ärzte wollen mich noch vierundzwanzig Stunden hierbehalten. Aber die Tests waren alle okay, und mir geht’s gut. Mir ist zwar noch ein bisschen schwummrig, und ichkann mich nach wie vor nicht erinnern, was passiert ist, aber das ist alles. Ich will nach Hause.»
    «Sie hatten eine schwere Kopfverletzung. Weitere vierundzwanzig Stunden   …»
    «Ich fahre nach Hause», sagte sie entschieden. «Es ist nur eine Gehirnerschütterung. Ich werde aufpassen, versprochen.»
    Ich ließ es

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