Verwuenscht und zugenaeht
meinen siebten Geburtstag zu erinnern. Es war der letzte, den wir als Familie gefeiert haben. Wahrscheinlich habe ich mir etwas Spannenderes als Kaugummikugeln gewünscht.
Das Pony. Oh mein Gott, das Pony!
Ich habe mir ganz bestimmt ein Pony gewünscht. Ich hätte vor Glück Purzelbäume geschlagen, wenn meine kleinen Spielzeugponys lebendig geworden wären.
Ich schlieÃe die Augen und versuche die wirren Gedanken in meinem Kopf zu ordnen. Sie wirbeln so schnell durcheinander, dass ich sie kaum zu fassen bekomme.
Wenn doch alle meine Geburtstagswünsche endlich in Erfüllung gehen würden!
Das darf doch nicht wahr sein.
Meine Party war vor drei Tagen. An jedem folgenden Tag ist ein Wunsch in Erfüllung gegangen.
Das ist nicht möglich. Auf gar keinen Fall.
Ich öffne die Augen und atme ein paar Mal tief durch. Eine Ameise krabbelt vor mir über den Beton, aber ich bin so verwirrt, dass ich mich nicht mal von der Stelle rühre, als sie an meinem gelben, mit Marker bekritzelten Turnschuh hinaufklettert.
Es muss doch irgendeine logische Erklärung für dieses ganze Theater geben. Vielleicht hat jemand auf der Party zufällig mit angehört, was ich mir gewünscht habe, und macht sich jetzt einen Scherz daraus. Vielleicht hat mein Bruder das alles mit seinen Kumpels ausgeheckt, um mich zu ärgern.
Aber Moment mal ⦠habe ich meinen Wunsch überhaupt laut ausgesprochen?
Nein, ich habe ihn nur in Gedanken formuliert.
Und selbst wenn ich falsch liege und meinen Wunsch doch laut ausgesprochen habe, wie hätte jemand das alles in so kurzer Zeit auf die Beine stellen sollen? Wie hätte jemand in weniger als zwölf Stunden ein Pony auftreiben, rosa einfärben und in unseren Garten bringen sollen? Und woher konnte Ann all diese Dinge über mich wissen?
Mein Bruder, der ein Gehirn von der GröÃe einer Erbse hat, hätte so etwas Verrücktes nie hingekriegt. Mal ganz abgesehen von der Tatsache, dass Chase bei keinem der Streiche in der Nähe war. Warum hätte er den ganzen Aufwand betreiben sollen, wenn er dann nicht mal da war, um sich ins Fäustchen zu lachen?
Und wieso sollte jemand so viel Geld für Kaugummikugeln ausgeben?
Das, was meiner Theorie jedoch den Todesstoà versetzt, ist die Tatsache, dass ich nie jemandem von meinen Wünschen erzählt habe. Mein Bruder â und jeder andere eigentlich auch â kann unmöglich wissen, dass ich mir zu meinem neunten Geburtstag gewünscht habe, Ann möge lebendig werden, um meine beste Freundin zu sein.
Ich stehe auf und laufe zurück nach Hause.
Ich muss mit Ann reden.
A ls ich die Schranktür aufreiÃe, liegt Ann auf dem Boden. Sie hat einen Bindfaden zu einer Schlinge gebunden und spielt ein Fadenspiel, bei dem man den Faden so um die Finger legen muss, dass ein Muster entsteht. Ihre Finger stecken jedoch eher in einem Wirrwarr aus Knoten, denn das Muster, das sie sich ausgesucht hat, funktioniert nur zu zweit.
»Oh, da bist du ja!« Sie setzt sich auf und hält mir die Hände hin. »Ich habe alle guten Griffe vergessen. Du musst mir das noch mal zeigen.«
Ich starre sie an und ignoriere ihre ausgestreckten Hände. »Als würde ich mich noch daran erinnern. Das habe ich seit der vierten Klasse nicht mehr gespielt.«
Sie zieht einen Schmollmund wie ein kleines Kind.
»Ich muss wissen, ob du die Wahrheit sagst.« Ich lehne mich an den Türrahmen und sehe sie eine Weile forschend an. Sie ist genau so gekleidet, wie ich meine Puppe in Erinnerung habe. Es fehlt nur die hässliche weiÃe Haube, die ich nicht ausstehen konnte und ihr deshalb abgenommen habe.
»Worüber?« Sie befreit die Finger von dem Faden und beginnt noch mal von vorn.
»Darüber, dass du Raggedy Ann bist.«
»Natürlich ist das wahr! Warum sollte ich lügen?« Sie sieht mich an, als wäre ich diejenige, die verrückt ist.
»Keine Ahnung. Es könnte eine Menge Gründe geben. Zum Beispiel, jemand bezahlt dich dafür. Oder du bist in Wirklichkeit obdachlos und das ist so eine Masche von dir. Ich weià es nicht. Es kommt mir nur so ⦠unglaublich vor.«
Sie zuckt die Schultern. »Ich bin einfach nur froh, dass ich nicht mehr in der Schachtel hocken muss. Es ist stockdunkel da drin. Du hättest sie wenigstens offen lassen können.«
Ich seufze und setze mich zu ihr auf den Boden. Ich schiebe die Schranktür
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