Verwuenscht und zugenaeht
mal verdunstet. An der Nordwestküste des Pazifiks sieht man Cabrios eher selten, denn man kann sie eigentlich nur ein paar Tage im Jahr benutzen.
Der Fahrer bietet einen nicht weniger skurrilen Anblick als der Wagen: Er dürfte noch keine zwanzig Jahre alt sein und seine Haut ist sonnengebräunt. Auch das ist in unserer Gegend ziemlich ungewöhnlich. Wahrscheinlich geht er jeden Tag ins Sonnenstudio.
Er trägt ein Muskelshirt, das seine prallen Oberarme betont, und er lächelt so breit und strahlend, als würde er für eine Modelkartei oder eine Zahnpastawerbung posieren. Ich könnte vom Gehweg aus sogar seine Zähne zählen. Er hat dieses schleimige Aussehen eines Verkäufers für Fitnessgeräte auf dem Shoppingkanal. Mit seiner eingeölten, fast schon plastikartig glänzenden Haut könnte er aber auch locker als Bodybuilder durchgehen.
»Baby, wo hast du gesteckt?«
Ich glaube, ich muss mich gleich übergeben, und blicke über die Schulter. Der Typ redet tatsächlich mit mir.
Bin ich im falschen Film?
Ich gehe schneller. Irgendwie ist mir der Kerl mit seinem breiten künstlichen Lächeln und den unnatürlich strahlenden Augen unheimlich.
Zum Glück ist es nicht mehr weit. Die Bücherei liegt nur etwa anderthalb Kilometer von unserem Haus entfernt in einer netten Gegend. Ich muss nur noch der Cole Street folgen, einer ruhigen EinkaufsstraÃe mit kleinen Lokalen und Antiquitätengeschäften. Doch beim Anblick dieses Typen mit dem anzüglichen Grinsen wünschte ich, ich wäre gefahren. Eigentlich bin ich nur zu Fuà gegangen, um noch etwas Zeit zu schinden und länger von Zuhause, von Ann und von allem, was noch so passiert ist, weg zu sein.
Ich beachte ihn nicht weiter, während er einen Gang runterschaltet und am Bordstein neben mir herrollt.
»Liebling, Schatzi, wo ist denn dein Wagen?«
»Ãh, ich habe keinen«, sage ich laut und hoffe, dass er mich endlich in Ruhe lässt. »Ich glaube, du verwechselst mich mit jemandem.«
»Natürlich hast du ein Auto, Baby, ein rosa Cabrio. Hast du es an deinem Strandhaus gelassen?«
Obwohl meine Nerven blank liegen, muss ich lachen. »Okay, jetzt ist ja wohl klar, dass du mich verwechselst. Ich habe auch kein Strandhaus.«
Ich laufe immer schneller, doch dieser Spinner passt sich einfach dem Tempo an. Trotz Schrittgeschwindigkeit brummt der Motor seines gelben Cabrios laut und bringt die Luft um uns herum zum Vibrieren.
»Sei nicht albern, Barb. Du musst doch nicht laufen. Spring rein!«
Ich bleibe stehen und wirble zu ihm herum. »Mein Name ist nicht Barb. Verschwinde!«
Er verdreht leicht die Augen. »Natürlich, tut mir leid, Barbie. Ich weiÃ, dass du es nicht leiden kannst, wenn ich dich Barb nenne.«
Ich öffne den Mund, um ihm etwas Gepfeffertes an den Kopf zu werfen, doch mir fehlen die Worte. Ich weiche von der Bordsteinkante zurück. Plötzlich kommt mir das Röhren seines hässlichen Sportwagens ohrenbetäubend vor. Mit zitternder Hand halte ich mir den Mund zu. »Wie heiÃt du?«, frage ich durch die Finger.
Er lacht. »Ach komm schon, SüÃe, du kennst meinen Namen!«
Ich nehme die Hand herunter. »Sag mir, wie du heiÃt!«, presse ich zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.
»Ken.«
Oh Schande, mein Leben nimmt gerade eine beängstigende Wende.
Ken. Der verdammte Ken.
Und er glaubt, ich sei seine Freundin.
Er glaubt, ich sei Barbie .
Wann zum Teufel habe ich mir das gewünscht?
Ich gebe mir wirklich die allergröÃte Mühe, Ken loszuwerden, doch er fährt weiter auf der StraÃe neben mir her, gibt mir verschiedene Kosenamen und versucht mich davon zu überzeugen, dass ich tatsächlich Barbie bin.
Na super.
Ich habe weder langes blondes Haar noch trage ich rosa gerüschte Shorts oder ein Tanktop ⦠und ich stöckle auch nicht auf Zehenspitzen herum. Das müsste ihm doch auffallen. Zugegeben, ich habe eine groÃe Oberweite. Trotzdem bin ich auf einer Skala von eins bis fünf bestenfalls eine zwei.
Ich komme kaum mit der zum Leben erwachten Raggedy Ann zurecht. Was soll ich da auch noch mit Ken anfangen? Wenigstens denkt er nicht, dass wir zusammen wohnen. Und er hat ein Auto.
»Komm schon, SüÃe, spring rein!«
Ich bleibe stehen, stemme eine Hand in die Hüfte und funkle ihn an. »Wenn ich dir erlaube, mich zur Bücherei zu fahren,
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