Verwuenscht und zugenaeht
nach Anns Hand und versuche sie von Janaes vornehmer Veranda zu ziehen. Dabei pralle ich fast gegen eine der groÃen weiÃen Säulen.
»Auf keinen Fall!«, protestiert Ann und zieht ihre Hand weg.
Bevor ich sie aufhalten kann, drückt sie auf die Klingel. Ein helles Glockenläuten ertönt hinter der Doppeltür mit der noblen Bleiverglasung und den übergroÃen, auf Hochglanz polierten Türgriffen.
Mir schlägt das Herz bis zum Hals und ich überlege kurz, ob ich über den gepflegten Rasen flüchten und mich hinter einem Strauch verstecken soll. Das wäre jetzt sicherlich das Beste. Doch bevor ich mich auch nur einen Zentimeter von der Stelle bewegen kann, geht die Tür auf.
Janae lächelt uns an. Sie trägt eine rote, hautenge Jeans, kniehohe schwarze Lederstiefel und einen cremefarbenen Rollkragenpullover. »Hallo, Leute! Kommt rein!«
Es ist ein seltsames Lächeln, das irgendwie leer und unnatürlich wirkt. Anscheinend ist ihr immer noch nicht in den Sinn gekommen, dass ich eigentlich gar nicht hierhergehöre.
Das wirft natürlich meine Hoffnung in Bezug auf Ben und den Kuss völlig über den Haufen. Wenn mich Janae zu einer Party einlädt und ihren Irrtum nicht einmal bemerkt, als ich vor ihr stehe, wird Ben mich auf jeden Fall küssen.
Und es gibt nichts, was ich dagegen tun kann.
Ohne mir dessen bewusst zu sein, stehe ich einfach nur stumm da, bis mich Ann leicht in Richtung Tür schiebt. Ich sehe mich kurz zu ihr um. Wir haben fast eine Stunde gebraucht, um ihre krausen Locken mit einem Lockenstab zu bändigen. Ein paar Strähnen haben wir mit Haarklammern nach hinten gesteckt, damit sie ihr nicht ins Gesicht fallen. Ansonsten trägt sie ihr Haar offen. Sie hat sechs verschiedene Lidschatten ausprobiert, bis sie sich schlieÃlich für ein kühles Blau entschieden hat, das ihre grünen Augen gut zur Geltung bringt und ihre Sommersprossen exotisch wirken lässt.
Sie trägt das blaue Top mit U-Ausschnitt, das ich ihr im Einkaufscenter gekauft habe, als wir mit Ken dort waren, und eine Bootcut-Jeans, von der ich nicht mal wusste, dass ich sie in meinem Schrank hatte. Die Hose sitzt wie angegossen, nur die Schuhe â ein Paar schwarze Clogs aus meiner Junior-Highschool-Zeit â passen nicht so gut dazu. Aber das macht nichts, denn sie zieht sie an der Tür gleich aus.
Ann hat darauf bestanden, dass ich nicht meine »normalen« Klamotten trage, damit ich den Abend nicht ruiniere. Offensichtlich ist sie dahintergekommen, dass mein Stil alles andere als in ist. Sie ist so eifrig darum bemüht, eine echte Partyerfahrung zu machen, dass sie mich gezwungen hat ⦠süà auszusehen. Ich komme mir vor, als wäre ich ihre zurechtgemachte Puppe.
Mit der Jeans kann ich leben, doch der purpurrote Pullover mit V-Ausschnitt macht mich wahnsinnig. Ich habe deutlich zu viel Dekolleté, um einen V-Ausschnitt zu tragen. Ann hat geschworen, dass ich groÃartig aussehe, aber jetzt, da ich mich nicht mehr umziehen kann, erscheint mir mein Outfit wie das schlimmste meines Lebens.
Wir folgen Janae zum hinteren Teil des Hauses. Dumpfe Bassklänge schallen uns entgegen und mischen sich mit lautem Stimmengewirr.
Der Flur führt in einen riesigen Raum mit einer sechs Meter hohen Decke und dem gröÃten Fernsehbildschirm, den ich je gesehen habe. Die Old-Navy -Kleidchen-Clique hat sich auf den Sofas breitgemacht. Glänzende Haare, strahlende Gesichter, manikürte Fingernägel und funkelnder Schmuck ⦠um nur einen Bruchteil ihrer perfekten Aufmachung zu nennen.
Die Gespräche verebben, während die Musik weiterdröhnt. Janae hat es vielleicht immer noch nicht mitbekommen, aber der Rest der Partygäste weiÃ, dass Ann und ich nicht hierhergehören.
»Essen und Trinken gibt es dort«, sagt Janae und deutet in Richtung Küche. »Und das Bad ist die zweite Tür rechts.«
»Okay.«
Ich versuche mich unauffällig zu verhalten, atme tief ein und mache mich auf den Weg zur Küche, während alle mich anstarren. Ich gieÃe etwas Malzbier in einen Becher â obwohl die anderen wahrscheinlich etwas anderes trinken â, als ich bemerke, dass Ann nicht mehr an meiner Seite ist.
Sie steht neben zwei Jungs im Wohnzimmer. Einer von ihnen streift ein Band mit einer Fernbedienung über ihr Handgelenk, damit sie mit der Nintendo Wii spielen kann. Der andere
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