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Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges

Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges

Titel: Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Englund
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innenpolitischen Streit auf der falschen Seite gelandet war. Energisch angetrieben von seiner mutigen Ehefrau entfloh er jedoch nach kurzer Zeit aus dem Kerker, versteckt in einer der voluminösen Kisten, die dem Transport von Büchern in seine kombinierte Zelle und Studierkammer und aus ihr heraus dienten. Sein großes Werk,
De jure belli ac pacis
– Über das Recht des Krieges und des Friedens –, war auch in vielfacher Hinsicht ein typisches Werk des 17 . Jahrhunderts: ein dickleibiger Band, angefüllt mit Zitaten aus jeder denkbaren Quelle, ein bunter Flickenteppich von Belegen, die vorzugsweise aus der Geschichte genommen waren. Den modernen Leser erinnert er an einen im Vierteltempo gespielten Montaigne, ganz und gar nicht so unterhaltend und persönlich, aber dennoch nicht selten interessant durch seine einfallsreichen Gedankensprünge zwischen Poeten, Philosophen, antiken Autoren und verschiedenen heute glücklicherweise vergessenen Theologen.
    De jure belli ac pacis
ist kein besonders originelles Werk und nicht einmal das allererste, das für Mäßigung und Mitmenschlichkeit im Krieg plädierte. Die Bedeutung des Buchs lag vielmehr in seiner enormen Durchschlagskraft: darin, dass es in immer neuen Auflagen herauskam und nach und nach in ganz Europa Leser fand, einflussreiche Leser, bei denen es tatsächlich Wirkungen zeitigte. Einer von diesen war Gustav Adolf, der großen Respekt vor dem gelehrten Holländer hatte und zeit seines Lebens ein Exemplar des Buches mit sich führte. Seit 1634 war Grotius auch in schwedischem Dienst, als der Krone persönlicher Resident in Paris. Grotius hatte den Posten nur zögernd angenommen und machte auch eine ziemlich schlichte Figur als Resident. Er war nur mäßig interessiert an der Aufgabe und widmete seine meiste Zeit dem, was er als seine wirkliche Lebensaufgabe ansah: der Wiedervereinigung der gespaltenen Christenheit. Seine diplomatische Tätigkeit für Schweden bestand hauptsächlich darin, über Fragen der Etikette zu streiten, dann und wann einen wortreichen Bericht in elegantem Latein nach Stockholm zu senden – meistens nur den lokalen Klatsch – sowie Richelieu bis aufs Blut zu reizen. Es hieß, der einzige Grund, warum Axel Oxenstierna ihn als Resident in Paris behielt, sei darin zu suchen, dass der Kanzler den mächtigen Kardinal ärgern wolle.
    Aus Gustav Adolfs Enthusiasmus für Grotius’ Buch können wir leicht schließen, dass es keineswegs ein pazifistischer Traktat war, im Gegenteil. Grotius rechtfertigt mit gewissem Nachdruck bestimmte Typen von Krieg und Kriegshandlungen. Ebenso wie ein Krieger das Recht hat, seinen Feind zu töten, hat er laut Grotius auch ein selbstverständliches Recht, dessen Eigentum zu plündern und zu verwüsten. Aber in seinem Buch versucht er auch zu zeigen, dass es Grenzen gibt für das, was Soldaten tun dürfen, dass Mäßigung im Töten, im Rauben, in der Zerstörung walten soll, dass Gefangene human behandelt werden sollen und so weiter. Als Gustav Adolf einen ständigen Befehl ausgab, dass die schwedischen Krieger unter keinen Umständen Kirchen, Schulen und Krankenhäuser angreifen dürften, lag dies ganz auf der Linie dessen, was in
De jure belli ac pacis
zu lesen stand.
    So muss man sagen, dass Grotius’ Ideen und die verschiedenen Aktivitäten der Diplomaten tatsächlich etwas Neues repräsentierten. Sie weckten die Hoffnung, dass die Furien des Krieges vielleicht doch wieder gebändigt werden könnten. Aber dies schien noch in weiter Ferne zu liegen. Nicht viele Zeitgenossen Gustav Adolfs und wenige seiner Nachfolger zeigten dessen bemerkenswerte Mischung aus Idealismus und Härte. Sie waren, wie Johan Banér, in der Regel
nur
hart, und in der Regel fanden diese narbenübersäten Herren in ihren schwarzen Kürassen Huig van Groots bemerkenswertes Werk entbehrlich. Und die Abgesandten, die sich in diesem Jahr 1638 in Hamburg trafen, waren vollauf damit ausgelastet, sich über Verfahrensfragen zu streiten, Memoranden in alle Richtungen zu versenden sowie ganz allgemein die Verhandlungen zu verzögern – während Deutschland weiter aus seinen tausend Wunden blutete.
    Denn natürlich mahlten die Mühlen des Krieges weiter.
    Wie schon zuvor gesagt, hatte es für die Schweden in Deutschland noch nie so bedrohlich ausgesehen wie um den Jahreswechsel 1637 / 38 . Sie standen mit dem Rücken zum Meer, zusammengedrängt auf einem schmalen, ausgeplünderten Streifen Land, ohne Geld, ohne Vorräte, mit nur 7000 schlecht

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