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Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges

Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges

Titel: Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Englund
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bekleideten Männern als beweglicher Reserve, um dem Ansturm des überlegenen kaiserlichen Heeres zu begegnen, das von Süden heranrückte.
    Der Winter in diesem Jahr war ungewöhnlich kalt. An einigen Stellen gelangten die Kaiserlichen bald sogar bis ans Meer. Die strategisch wichtige Insel Usedom (die den Wasserweg nach Stettin beherrschte) fiel in ihre Hände, kurz darauf gefolgt vom Schloss in Wolgast und der Festung in Demmin, während gleichzeitig Anklam belagert wurde. Bei all diesen Verlusten hatten sich besonders die Offiziere mutlos und schnell bereit gezeigt, die Waffen zu strecken. Alles sah wahrlich düster aus.
    Die Wende kam unerwartet. Zuerst erreichten die Befehlshaber unzusammenhängende und unklare Berichte von Bauern und Fischern, die an der Küste und auf Usedom lebten. Sie erzählten, dass die Kaiserlichen begonnen hatten, sich zurückzuziehen! Johan Banér wollte dies zunächst nicht glauben. Und wenn es so war, musste es eine Kriegslist sein. Aber der harte Würgegriff ließ tatsächlich nach. Mehrere Wochen später, nachdem Scharen von berittenen schwedischen Rekognoszierungspatrouillen die flache, schneekalte Landschaft durchstreift hatten, ergab sich allmählich ein klareres Bild. Die ersten Berichte stimmten. Die Kaiserlichen waren auf dem Rückzug, nicht nur auf Usedom, sondern entlang der ganzen Frontlinie.
    Nicht Johan Banérs Feldherrenkünste oder auch nur die schwedischen Waffen hatten die Schweden in Deutschland gerettet. Es war einfache logistische Logik. Es mag sonderbar klingen, aber Gallas’ Heer war ganz einfach zu groß, um in dem verwüsteten Pommern, das ein versorgungsmäßiges Vakuum war, operieren zu können. Mit jedem Schritt, um den die Kaiserlichen sich der Küste näherten, wuchs ihre Not. Sie siegten sich direkt in den Untergang. Es war ein merkwürdiges Paradox, das sich im weiteren Verlauf des Krieges wieder und wieder bemerkbar machen sollte: Eine große Armee konnte leicht ihren Feind besiegen, hatte aber fast immer mit Versorgungsproblemen und verheerender Hungersnot zu kämpfen; eine kleine Armee war leicht zu unterhalten, konnte aber aufgrund ihrer Schwäche selten mehr tun, als geräuschvolle, aber ziemlich bedeutungslose Überfälle auszuführen.
    Als Gallas einsah, dass seine immer weiter in Auflösung geratende Armee aufgrund von Nahrungsmangel dahinzuschmelzen drohte, hatte er keine andere Wahl, als den Rückzug zu befehlen, obwohl die Überlegenheit offenkundig und der Sieg nahe war. In langen, zerrissenen Kolonnen zogen sie nach Südwesten, durch ein Winterland, das so leer und öde war, dass es mit Johan Banérs eigenen Worten aussah, «als sei dort mit einem Besen gekehrt worden». Der Rückzug wurde lang, denn einigermaßen guter Unterhalt war erst zu bekommen, als sie bis zur Elbe zurückgegangen waren, wo sich die ausgemergelten Soldaten auf weit verstreute Quartiere verteilten.
    Damit war die Gefahr nicht mehr akut, aber der Zustand des schwedischen Heers war so erbärmlich wie vorher. In seiner jetzigen Verfassung würde es einem erneuten Ansturm der Kaiserlichen nicht standhalten. Die Rettung kam in Form der zuvor genannten in Hamburg geschlossenen Allianz mit Frankreich. Im Verlauf des Frühjahrs begann frisches Geld in die leere Kriegskasse in Pommern zu fließen – Banér bekam eine erste Sendung von 180 000 Reichstalern. Damit war die Gefahr von allgemeiner Fahnenflucht, Unruhen und Meuterei gebannt. Mit gewohnter Energie und Hartnäckigkeit machte Banér sich daran, seine Armee wieder aufzurüsten. Seine Soldaten litten wie gesagt Not an allem. Besonders an Bekleidung mangelte es, und in ihren geflickten und verschlissenen Lumpen hatten sie schwer unter der Kälte gelitten. Nun wurden in Hamburg und Lübeck Kleider gekauft, 3000 Ausrüstungen von Feldrentmeister Trotzig waren auf dem Weg, und aus Schweden trafen nach und nach drei mit Tuch beladene Schiffe ein. Auch die Waffenvorräte waren bescheiden, vor allem fehlten Degen und Pistolen – die Not war so groß gewesen, dass die Soldaten sie in vielen Fällen gegen Essen eingetauscht hatten –, aber Banér sorgte dafür, dass neue aus Schweden requiriert wurden. Und schließlich brauchte das Heer in Deutschland Verstärkungen in Form von Soldaten. Während Geld, Kleidung und Waffen teure Dinge waren, die aufzubringen den Regierenden in Stockholm größte Schwierigkeiten bereitete, gab es immer noch einen Rest nicht ausgehobener Männer zu Hause in den Dörfern und auf den Höfen –

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