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Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges

Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges

Titel: Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Englund
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einen Negersklaven, den man in Westindien gekauft hatte, auslud. Ende April 1639 segelte auch die
Fågel Grip
ab. Hinter den groben Palisaden von Fort Christina, auf dem Zollbreit Boden, der jetzt Neuschweden genannt wurde, blieben fünfundzwanzig Mann zurück: der Befehlshaber Mans Nilsson Kling, der Kommissionär Hendrick Huygen und ein Dolmetscher sowie einundzwanzig Soldaten, ein Negersklave und ein Bauer. Keine Frauen.

2 . Viele glaubten, es gebe keinen Gott mehr
    Verhandlungen in Hamburg – Etikettengerangel – Die moderne Diplomatie entsteht. Hugo Grotius – Eine missglückte Offensive – Das Paradox der Heeresgröße – Schwedische Verstärkungen – Krankheiten im Heer – ‹Auf Deutsch heißt es Heimweh› – Pommern verwüstet – Über Hexerei – Banér geht zum Gegenangriff über
    Zur gleichen Zeit, als Erik nach Hamburg kam, wurde die Stadt zum Schauplatz lebhafter diplomatischer Aktivitäten. Zwei wichtige Verhandlungen fanden statt. Die eine zielte darauf ab, den Krieg fortzusetzen, die andere, ihn ein für alle Mal zu beenden. Zu der ersten trafen sich Würdenträger aus Paris und Stockholm, die nach längeren Unterhandlungen die schwedisch-französische Allianz für weitere drei Jahre erneuerten. Damit Schweden den Krieg in Deutschland weiterführen konnte, wurden ihm eine Million
livres
jährlich garantiert. Zu der zweiten trafen sich Gesandte des Kaisers und Delegationen aus Dänemark, England, Frankreich und Schweden, um die Möglichkeiten für einen Frieden zu erörtern. Der Prager Friede bedeutete ja einen halben Schritt auf diesem Weg; die innerdeutschen Gegensätze waren notdürftig geschlichtet oder zumindest unter den Teppich gekehrt, und der Bürgerkrieg war fast beendet. Nun galt es nur, dem internationalen Großkrieg, der sich auf deutschem Boden abspielte, ein Ende zu machen. Reden vom Frieden hatte es schon vorher gegeben, aber sie hatten sich stets in Luft aufgelöst. Nichts sprach dafür, dass diese sporadischen Kontakte Früchte tragen könnten, es sei denn die Tatsache, dass der Krieg jetzt bereits zwanzig lange Jahre gedauert hatte und dass auch die meisten hohen Entscheidungsträger seiner allmählich müde wurden. Das Problem war nur, dass der Krieg größer geworden war als die Summe seiner Teile, und selbst wenn sie alle ein Teil von ihm waren, war es nicht sicher, ob noch irgendeiner von ihnen den Krieg in einer sinnvollen Bedeutung des Wortes lenkte. Und es ging eine gewisse Angst bei den Machthabenden auf beiden Seiten der Frontlinie um, die wohl spürten, dass sie gewaltige Kräfte freigesetzt hatten, die Europa zermalmen und niederwerfen und es ein für alle Mal verändern würden.
    Die Verhandlungen begannen in einer absonderlich ungeschickten Weise, denn lange Zeit widmeten die verschiedenen Gesandten der eigentlichen Sachfrage, also wie ein Frieden zuwege gebracht werden könne, nur zerstreute Aufmerksamkeit und vergeudeten stattdessen ihre Energie mit einem umständlichen Palaver darüber, wie das Ganze rein praktisch vor sich gehen sollte. Etwas anderes war vielleicht auch nicht zu erwarten gewesen, denn in dieser Epoche war man von Etikette und zeremoniellen Fragen geradezu besessen. Ein schwer überschaubares System von Regeln und ungeschriebenen Normen lenkte das Verhalten. Dabei ging es um alles, angefangen bei der Frage, wie man in Anwesenheit einer hochstehenden Person ausspucken sollte (es ging, wenn man einen Fuß auf den Klecks stellte), bis hin zu der Frage, wie ein Regent sich bei einem bestimmten Staatsakt zu verhalten hatte (die angehende Königin Christina warf sich später selbst vor, dass sie zu hastigen und damit unwürdigen Bewegungen neigte). Die Gesellschaft des 17 . Jahrhunderts war streng hierarchisch von oben nach unten gegliedert. Die verschiedenen Stände der Menschen und die verschiedenen Menschen der Stände waren einander über-und untergeordnet wie die Städte, die Steine, die Engel, die Tiere des Waldes und alles andere, in einem System chinesischer Schachteln, wo die erste riesige Pyramide weitere kleine Pyramiden enthielt, die ihrerseits noch kleinere Pyramiden enthielten und so weiter,
ad infinitum
; diese Neigung, überall Hierarchien zu sehen, war natürlich eine Reflexhandlung in einer Zeit, in der alles einzustürzen drohte und alles unsicher und schwankend zu sein schien. Die strikte Etikette war eine Methode, diese Ordnung zu schützen. Sie sollte dafür sorgen, dass der Status des Einzelnen nicht verdunkelt oder in

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