Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges
trampeln und zu zerren. Weniger bildhaft gesprochen: Die Armee richtete eine planmäßige, kühl kalkulierte Verwüstung an, die der Logik dessen folgte, was die höchste Führung
ratio belli,
die Notwendigkeiten des Krieges, nannte.
Der schwedische Feuersturm über Böhmen hatte auch klare politische Ziele. Er war eine Möglichkeit, den Druck auf den neuen Kaiser zu erhöhen. Der alte Kaiser, der vom Glauben verblendete und unbeugsame Ferdinand II ., war seit zwei Jahren tot, und sein Sohn Ferdinand III . hatte den Thron bestiegen: ein Mann, der Begabung zeigte, wo sein Vater fanatisch gewesen war. Er war wirklich von den Verheerungen erschüttert, die um seine Residenzstadt herum angerichtet wurden, und versuchte vergebens, ihnen Einhalt zu gebieten. Lange fehlten ihm die militärischen Mittel, Banérs Truppen hinauszuwerfen. Eine begrenzte kaiserliche Invasion von Schwedisch Livland, die im Sommer unter einem englischen Obersten namens Booth durchgeführt wurde, hatte das schwedische Heer nicht aus Böhmen fortlocken können. Auch neue Friedensangebote, die bei den zähen Verhandlungen in Hamburg vorgelegt wurden, erbrachten kein Resultat. (Im Tausch gegen Frieden wurden der schwedischen Krone Stralsund und die Insel Rügen angeboten. Die Schweden lehnten ab. Es war nicht genug.)
Nachdem Ferdinand mit großer Mühe alle Schatztruhen ausgekratzt und alle Taschen umgestülpt hatte, gelang es ihm nach dem nasskalten Neujahr 1640 , eine neue Armee von 30 000 Mann aufzustellen – die wievielte ist recht schwer zu sagen. Um eines Erfolgs sicher zu sein, hatte der Kaiser dem notorisch inkompetenten Gallas, dem «Heerverderber», den Laufpass gegeben. Nun übertrug er den Befehl über die neue Armee einem seiner besten und treuesten Generale, dem Florentiner Ottavio Piccolomini, jenem rundlichen Mann, der einst vor sieben Jahren bei Lützen Gustav Adolf im Schlamm hatte liegen und sterben sehen.
Der Druck von Piccolominis langsam und vorsichtig manövrierendem Heer und vor allem die Schwierigkeiten, die Armee in den gründlich verwüsteten Ländern zu versorgen, veranlassten Banér im Spätwinter 1640 , seine Armee aus Böhmen abzuziehen. Als sein Heer die Elbe überquerte, ließ er 2000 Lasten Getreide in den Fluss schütten; sie waren zu sperrig, um sie mitzunehmen, und er gönnte sie weder dem Feind noch den hungernden Bauern. Der Marsch auf den aufgetauten Lehmwegen führte zunächst nach Westen, denn dort gab es Fourage für die Pferde, und dann nach Norden. Das große Rad schien wieder eine trostlose Umdrehung zu machen, von Norden nach Süden und wieder nach Norden. Piccolominis Heer folgte gemächlich nach, ohne den Kampf zu suchen, völlig damit zufrieden, die schwedische Armee wieder nach Norden ziehen zu sehen.
Währenddessen versuchte Banér, wieder an Fieber erkrankt, erneut, den Franzosen und ihren lethargischen Verbündeten am Rhein Beine zu machen, denn noch hatten die Schweden während ihres Kriegszugs im deutschen Kernland nicht das Geringste von ihnen gesehen. Bernhard von Weimar war inzwischen tot und aus dem Spiel, mit 35 Jahren an einer typhusartigen Krankheit gestorben. Das Elsass und bedeutende Gebiete am Rhein standen unter der Kontrolle seiner Soldaten, und mehrere Kriegsparteien begriffen, dass hier ein guter Schnitt zu machen war. Wem es gelänge, diesen herrenlosen Haufen von Kriegsknechten auf seine Seite zu locken, der bekäme nicht nur die wichtigen Gebiete am Rhein in die Hand, er hätte auch mit einem Schlag ein Heer von rund 10 000 kampferprobten Männern zu seiner Verfügung. Praktisch waren sie für den Meistbietenden zu haben, was zeigt, wie der Krieg entartet und zum Selbstzweck geworden war. Die Bernhardiner, wie sie hiernach genannt wurden, spiegelten dies wider. «Der Krieg ist mein Vaterland, der Harnisch ist mein Haus», lautete ein altes Sprichwort, das die Bernhardiner ohne Zweifel zu ihrem Motto hätten machen können, denn sie beabsichtigten, weiterhin ins Feld zu ziehen, ganz gleich wie, wo und wofür. Es hagelte Angebote und Vorschläge von allen Seiten, Prag eingeschlossen, doch schließlich waren es die Herrschenden in Paris, die mit Hilfe eines warmen Regens von Bestechungen, großzügigen Pensionen, Landzusagen, achtfachen Soldzahlungen und so weiter dieses Söldnerheer an sich banden, dessen Geschicklichkeit im Feld ebenso anerkannt war wie seine Unzuverlässigkeit groß.
Nun endlich gelang es den Franzosen, die Bernhardiner in Bewegung zu setzen. Zusammen mit
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