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Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges

Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges

Titel: Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Englund
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exklusiven, handgezeichneten Luxusartikel zu einem weit verbreiteten kupfergestochenen Massenprodukt wurde, das jeder Schiffer sich leisten konnte. Dies machte die Navigation immer einfacher, aber zu einer Verbesserung der Geschwindigkeit führte es nicht. In Wahrheit blieben der Rhythmus der Reisen und das Tempo der Transporte aufs Ganze gesehen über mehr als tausend Jahre hinweg gleich. Im 17 . Jahrhundert lagen die Städte und Reiche zeitlich genauso weit voneinander entfernt wie in der Zeit des Römischen Reiches. Königin Christina reiste mit ungefähr der gleichen Geschwindigkeit wie einst Kaiser Augustus in den Jahren um Christi Geburt.
    Und wie in den voraufgegangenen tausend Jahren galt auch im 17 . Jahrhundert, dass das Boot und das Schiff als Fortbewegungsmittel immer schneller, effektiver, bequemer und natürlich körperlich weniger anstrengend waren als die Kutsche oder das Pferd. Die weitaus meisten Transporte von Waren und anderen Gütern erfolgten ebenfalls über das Wasser – und hier sprechen wir von allem, angefangen bei einem kleinen, mit Eiern, getrockneten Hechten und Kaninchenfellen beladenen Boot, mit dem eine Bauersfrau in die Stadt ruderte, bis zu einer riesigen, knarrenden Galeone, die mit ihrer Besatzung von bis zu 300 Personen eine Last von Hunderten von Tonnen tragen konnte. Die Regel war, dass das Wasser verband, während das Land trennte. Das schwedische Reich hatte deshalb durch seine langen Küsten – die meisten Schiffe, die aufs Meer hinausfuhren, folgten gern den oft gut gekennzeichneten Schifffahrtswegen, die in Sichtweite des Landes verliefen – und durch seinen Zugang zur Ostsee einen großen Vorteil. Dies bedeutet, dass die mentale Karte, die die meisten Schweden in ihrem Kopf trugen, sich in vielfacher Hinsicht von der geographischen unterschied, die wir heute kennen. Wir denken ganz selbstverständlich an Schweden als ein langgestrecktes Land mit nord-südlicher Ausrichtung; im 17 . Jahrhundert war es eher quadratisch, mit einem west-östlichen Schwerpunkt in dem sich über das Wasser erstreckenden Dreieck zwischen Stockholm, Riga und Helsinki. «Schweden hat eine fast viereckige Gestalt», schreibt Königin Christina in ihrer Selbstbiografie, «weil es sich hinsichtlich seiner Länge und Breite nur wenig unterscheidet.» Denn das Wasser bestimmte, was nahelag, nicht die Anzahl von Kartenkilometern – so konnte man zuweilen schneller von Lübeck nach Stockholm gelangen als von Uppsala nach Stockholm. Dies ist zum Teil der Grund dafür, dass die südlichen Teile Finnlands ein so selbstverständlicher Bestandteil vom Kernland des Reiches waren. Satakunta, Åbo Län und Nyland waren Teile des Reiches, die in mehrfacher Hinsicht Stockholm näher lagen als manche schwedischsprachige, aber im Binnenland gelegene Landschaft wie Dalarna. Die Ostsee verknüpfte die verschiedenen Teile des schwedischen Reiches, wie es die wenigen und häufig schlechten Landverbindungen nicht vermochten.
    Aber diese Bande unterlagen, wie gesagt, bestimmten Bedingungen. Zum einen gab es keine festen Verbindungen über die Meere. Wer eine Fracht an einen Ort senden wollte, musste häufig selbst sein Gut bis ans Ziel begleiten, und wer reisen wollte, musste stets selbst in Etappen von Punkt zu Punkt für seine Überfahrt sorgen. Abgesehen davon, dass das Reisen immer mühsam und auch gefährlich war, stellte es deshalb außerdem große Ansprüche an Initiative und Phantasie. (Hieraus erklärt sich zu einem großen Teil, warum das Reisen als ein unabdingbarer Bestandteil in der Erziehung eines jungen Aristokraten angesehen wurde. Es galt als bildend, nicht allein aufgrund dessen, was man unterwegs sah, sondern auch wegen der Mühe, die es kostete. Das Herumreisen in Europa war deshalb stets eine Art Bewährungsprobe des jungen Mannes.) Zum Zweiten konnte man sich nie auf die Transportmöglichkeiten verlassen. Die Jahreszeit bestimmte, ob und wann man reisen konnte, das Wetter bestimmte, wie schnell oder wie langsam es ging. Feste Reisezeiten waren daher eine Unmöglichkeit, und die Reisen verliefen naturgemäß ruckhaft; man konnte Tage und Wochen in Häfen verbringen, bis das Eis geschmolzen oder der Sturm abgeflaut war oder der Wind sich gedreht hatte oder das richtige Schiff gekommen war. Ein französischer Diplomat, der sich im November 1634 an Bord eines Schiffs befand, das sich von Kalmar kommend Stockholm näherte, hatte sich gerade in Gedanken darüber verloren, wie angenehm eine Schiffsreise

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