Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges
kaiserlicher Offiziere an der Straße nach Lübeck einen Hinterhalt vor, um Erik Eriksson gefangen zu nehmen.
Irgendwie kamen ihm deren Pläne jedoch zu Ohren, was ihn zu einer überstürzten und höchst diskreten Abreise veranlasste. Gegen neun Uhr am Abend des 11 . Mai verließen er und Erik «heimlich» die Stadt. Nach einer gefahrvollen nächtlichen Reise erreichten sie Lübeck und begaben sich von dort nach Travemünde. Dort schlichen sie sich an Bord eines Schiffs, das am Abend des 22 . Mai Segel setzte und im Dunkel der Nacht mit Kurs auf Schweden verschwand. Sie hatten guten Wind, und Bornholm tauchte auf und blieb seitlich hinter ihnen zurück. Aber am Tag danach schlief der Wind ein, das Meer war wie ein weich wogendes, glattes Tuch, und während die Luft von der Hitze schwer wurde und die Segel schlaff herunterhingen, blieb das Schiff unbeweglich im Wasser liegen.
Die Flaute dauerte lange. Tag um Tag dümpelten sie auf dem bleiernen Meer. Nach elf Tagen war das Schiff noch nicht vom Fleck gekommen, sondern hatte nur ein paar träge Pirouetten gedreht. Um das Schiff herum schaukelten noch immer die Fässer und Bretterstücke, die am ersten Tag der Windstille über Bord geworfen worden waren. Dies war eins der Risiken, mit denen man rechnen musste, wenn man über das Meer fuhr. Jede Art zu reisen, war unsicher, ob es sich um das Segeln auf dem Meer, um Schlittenfahrten oder ganz einfach um eine Fußwanderung handelte. Und der Reisende war mindestens ebenso stark dem Wechsel der Jahreszeiten und des Wetters ausgesetzt wie der Bauer oder der Feldherr.
Es ist schon gesagt worden: Wer im 17 . Jahrhundert reiste, benutzte immer die Wasserwege, wenn solche sich anboten. Boote und Schiffe waren deshalb ein natürlicher Bestandteil im Leben der Menschen. Wenn man ein Bild aus dieser Zeit betrachtet, auf dem ein Gewässer zu sehen ist, kann man fast sicher sein, dass dort auch irgendwelche Wasserfahrzeuge erscheinen. Viele große Meister des 17 . Jahrhunderts haben uns schöne Hafenansichten hinterlassen, auf denen ein wirres Durcheinander von bauchigen Rümpfen, dünnen Masten und Bugsprieten, dreieckigen Lateinsegeln und viereckigen Rahsegeln, Stagen, Wanten und Wimpeln von der Lebendigkeit der Wasserwege und der großen Bedeutung der Schifffahrt zeugt. Auffallend auf all diesen Bildern mit verschiedenen Schifffahrtsmotiven ist die enorme Vielfalt an Schiffstypen. Wenn wir an Reisen über Wasser denken, stellen wir uns fast immer große zwei-und dreimastige Segelschiffe mit tiefem und gewölbtem Rumpf vor. Es gab indessen neben diesen breitschultrigen Herrschern der Meere auch eine Menge anderer Schiffe. Auch wenn wir von den Prahmen und Ruderbooten verschiedener Größen und Ausführungen absehen, die überall vorkamen, gab es noch eine Reihe kleinerer Segelschiffe wie Galeassen, Galeonen, Galeeren und Galeoten, Barken, Bojerte und Jachten, Fleuten und Pinassen. Das Bild wird noch abwechslungsreicher durch die einfache Tatsache, dass es keine zwei Schiffe gab, die gleich waren – jedes Schiff war gewissermaßen individuell geformt von Schiffsbaumeistern, die sich in der Regel mehr auf ihre Routine und Geschicklichkeit verließen als auf Zeichnungen. Keine Rede von genormter Massenproduktion.
Dies kann möglicherweise den Eindruck erwecken, dass die technische Entwicklung der Schiffe rasch voranschritt, doch das ist ein Irrtum. In den voraufgegangenen Jahrhunderten hatte sich auf diesem Gebiet in Europa viel getan. Die Einführung von Instrumenten wie Kompass und Astrolabium und der Bau neuer Schiffstypen wie beispielsweise der zuverlässigen und sehr manövrierfähigen Karavelle hatten die Europäer in die Lage versetzt, sich wie nie zuvor auf die Weltmeere hinauszuwagen. Im 17 . Jahrhundert wurde dem nicht viel Neues hinzugefügt. Man experimentierte mit noch größeren Schiffen – nicht immer mit Erfolg, wie die jetzt acht Jahre zurückliegende Katastrophe mit dem Regalschiff Vasa zeigte. Klare Fortschritte wurden jedoch auf dem Gebiet der Kartographie gemacht, wo man nun die Früchte des 16 . Jahrhunderts ernten konnte. Mit Hilfe der wirklichkeitsgetreuen Projektion Mercators – die also die Erdkrümmung berücksichtigte – sowie neuer Hilfsmittel wie des Messtischs und der Triangulation wurde die Genauigkeit immer größer. Außerdem bedeuteten gewisse Fortschritte auf dem Gebiet der Buchdruckerkunst, wie unter anderem die Möglichkeit, geglättetes Papier herzustellen, dass die Seekarte von einem
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