Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges

Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges

Titel: Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Englund
Vom Netzwerk:
geschlossen worden war – nach Möglichkeit vermeiden wollten, Operationen in diese Richtung auszuführen; und die Bernhardiner wollten Bezahlung, Beute und gute Quartiere und kümmerten sich darüber hinaus wenig um die übergeordneten Kriegsziele, weshalb sie sich die ganze Zeit an den hielten, der ihnen von den drei genannten Gütern am meisten versprach. Das Resultat war eine endlose Reihe endloser Lagebesprechungen, wo räsoniert, argumentiert und obstruiert wurde, während der nicht besonders diplomatisch veranlagte Banér mit den Armen fuchtelte und in hilflosem Zorn polterte. Und als sei es nicht schon schwer genug, den Haufen intriganter Generale im Rat dazu zu bringen, am gleichen Strang zu ziehen, tauchten von allen Ecken und Enden unaufhörlich kleine, hochbepackte Konvois mit perückengeschmückten Diplomaten, herumreisenden Gesandten und akkreditierten und nichtakkreditierten Residenten auf, die an unsichtbaren Fäden zogen und zerrten und eigene bescheidene Ansichten vorbrachten, wie die Kampagne
eigentlich
durchzuführen wäre. Banérs Heer, das früher wie ein abgemagerter, aber sehniger und lebensgefährlicher Wolf umhergejagt war, wurde auf diese Weise in ein überdimensionales Urzeitmonster verwandelt, das zwar eine imponierende Reihe von Reißzähnen hatte, sich aber nur mit größter Mühe bewegte, wobei es schwerfällig mit seinem langen Schwanz schlug.
    Außerdem zeigte sich schnell, dass der erfahrene Piccolomini ein wesentlich geschickterer Feldherr war als sein Vorgänger. Das besagt nicht so schrecklich viel, wenn man bedenkt, dass es sich bei jenem um Gallas gehandelt hatte, doch der Unterschied war hinreichend groß, um jede Hoffnung auf leichte und schnelle Siege rasch in der Versenkung verschwinden zu lassen. Obwohl sein Heer durch ein großes bayerisches Korps verstärkt worden war, trat Piccolomini mit äußerster Vorsicht auf. Zur gleichen Zeit, als Banérs Armee auf die passende Reichweite heranrückte, um zuschlagen zu können, ließ er seine Armee hinter eilig gegrabenen Erdbefestigungen verschwinden und brachte damit alles zum Stillstand. Anfang Mai befand sich Piccolominis Heer in einem großen, starken und günstig gelegenen Lager bei Saalfeld. Ohne Möglichkeiten für eine Erstürmung setzte Banér die eingegrabenen Feinde einem donnernden Artilleriebeschuss aus, der Tag um Tag anhielt, aber mehr theatralisch spektakulär als effektiv war – Brandkugeln setzten zahlreiche Reisighütten und Zelte der Kaiserlichen in Brand, und dann und wann wurde ein unvorsichtiger Mann in Stücke gerissen, wenn er sich aus seiner Deckung herausgewagt hatte, aber das war auch alles. Wieder einmal wurde deshalb ein Hungerkrieg inszeniert, der nichts anderes war als ein grotesker Durchhaltewettstreit, gewürzt mit gelegentlichen ergebnislosen Kleingefechten in den umgebenden Wäldern. Während des Sommers führten die Armeen mehrere Rochaden von ein paar Dutzend Kilometern nach hier oder dort aus, woraufhin sie rasch in einer ebenso erstarrten und ebenso hoffnungslosen Position landeten wie bei Saalfeld – Piccolominis Heer in einem schändlich gut befestigten Lager eingegraben, während Banérs Heer durch eine trostlose Kavalkade von Patrouillengefechten und Überfällen auf Posten des Gegners vergeblich versuchte, diesen zu einem Kampf im offenen Feld zu verleiten.
    Für die Soldaten war es eine qualvolle Zeit. Sie kämpften in Gebieten, durch die der Krieg bereits einige Male hin-und hergegangen war, weshalb sie gründlich kahlgefressen und teilweise entvölkert waren. Dies machte es schwer, um nicht zu sagen unmöglich, Proviant zu beschaffen. Man muss dabei in Erinnerung behalten, dass die Heere nicht nur aus Soldaten bestanden, sondern dass auch große zivile Kontingente von Dienern, Frauen und Kindern, Knechten, Trossjungen, Marketendern, Huren, Invaliden, Pfandleihern, Ärzten, Geistlichen und anderen dazugehörten. In der Regel kam mindestens ein solcher Zivilist auf jeden Soldaten im Glied. Dies bedeutete, dass die beiden Armeen zusammen aus rund 130 000 Menschen bestanden, was für die schon schwer verwüsteten Gebiete natürlich eine unmögliche Belastung war. Es war kaum verwunderlich, dass es an allem fehlte. Weil es kein Mehl gab, gab es selten Brot, stattdessen mussten die Soldaten sich von wilden Pflanzen, Äpfeln und unreifen Rüben ernähren. Es half auch nicht, dass die Offiziere eigenes Geld zuschossen, um ihren hungernden Soldaten Essen zu kaufen, denn die Städte und

Weitere Kostenlose Bücher