Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges
Dörfer waren so leer und ausgeplündert, dass es dort nichts zu kaufen gab – sogar das Gold hatte in dieser von Menschen geschaffenen Wüste seinen Wert verloren. Die höheren Offiziere, die sich ansonsten nicht schlecht zu versorgen verstanden, klagten laut und vernehmlich darüber, dass kein Wein zu bekommen war und sie stattdessen etwas so Unzweckmäßiges wie Wasser trinken mussten. (Ein Mangel, der immerhin den guten Nebeneffekt gehabt haben muss, dass die Sauferei unter den Offizieren ein wenig reduziert wurde.) Der Sommer 1640 war zu allem Überfluss feucht und kalt. Wegen des ewigen Sprühregens mussten die Soldaten oft tagelang in völlig durchnässten Kleidern herumstiefeln, was sie nicht gerade aufmunterte. Und immer wieder waren Wege überschwemmt, die Truppen mussten durch Wasser und Schlamm waten, während Trosswagen und Kanonen stecken blieben und viele Pferde sich zu Tode rackerten. Und die durchnässten und hungrigen Männer und Generale konnten mit der gleichen Frustration über die grünen Äcker blicken, wo die Saat wegen der Nässe mit irritierender Langsamkeit reifte.
Dem Hunger folgten wie immer die Krankheiten. Epidemien flammten in diesem Sommer mit quälender Regelmäßigkeit auf. Außerdem wurde es noch schlimmer dadurch, dass so viele tote Tiere und Menschen in den Gewässern umhertrieben, während gleichzeitig unbestattete Körper hier und da längs der matschigen Wege und in den Laufgräben zu sehen waren – der Leichengestank verfolgte die Soldaten wie der strömende Regen den ganzen Sommer über: Den neuen Kriegern ging da die alte Wahrheit auf, dass Krieg immer übel riecht. Katen und Hütten entlang der Straßen waren in der Regel voll von Kranken, die man nicht sammeln konnte, weil Pferde und Wagen fehlten. Und viele Soldaten, die zu schwach waren, sich auf und davon zu machen, schlichen sich aus dem Glied und verreckten irgendwo in einem Dickicht. Eine der von Krankheit Betroffenen war Banérs eigene Frau, Elisabeth Juliana, die Ende Mai am Fieber starb. Banér weinte und trauerte, und der Anblick ihres mit Laub und Wiesenblumen geschmückten Sargs brachte den impulsiven Mann dazu, vorübergehend mit dem Gedanken zu spielen, sein Kommando niederzulegen und heimzureisen. Aber es war denn doch nicht so schlimm, dass er nicht knapp zwei Wochen nach dem Tod seiner Ehefrau einen Ersatz ausfindig machte, die gerade sechzehnjährige Markgräfin von Baden, mit der er sich nach einer kurzen und wild entschlossenen Werbung Anfang September verheiratete. Zu Banérs grenzenloser Enttäuschung – nicht zuletzt triebmäßig, darf man vermuten – weigerte sie sich jedoch, ihm ins Feld zu folgen.
Der Hunger und die Krankheiten schufen unter den Soldaten eine Unzufriedenheit, die zeitweilig in reine Meuterei umzuschlagen drohte. Schon während des Frühjahrs hatte man Anzeichen dafür erkennen können, dass die Stimmung unter den Soldaten alles andere als gut war.
Zu einem solchen Vorfall kam es in Chemnitz im südlichen Sachsen, wo die västgötische Reiterei als Besatzung lag. Die Reiter aus Västergötland waren 1638 nach Deutschland gekommen, als Teil des gleichen Verstärkungskontingents wie die rasch gestorbenen Soldaten aus Bygdeå. Auch die Västgöter litten schwer in der ersten Zeit. Nach einem Jahr standen weniger als 300 der ursprünglich entsandten 649 Männer noch im Glied; ein paar waren im Kampf gefallen, ein Teil war aufgrund eines extremen Mangels an Reitpferden nach Hause geschickt worden, aber weitaus die meisten waren verschiedenen Krankheiten erlegen. Viele schwedische Truppenkommandeure hatten wie gesagt eine nonchalante Einstellung in Bezug auf das Wohlergehen ihrer Soldaten, und häufig kam es vor, dass sie nach einiger Zeit ganz einfach nach Schweden zurückreisten und ihre Verbände sich selbst überließen. Harald Stake, der Kommandant des Västgötaregiments, war auch nach Hause gereist und hatte das Kommando dem Oberstleutnant Johan Printz übertragen, einem unglaublich fetten 50 -jährigen Mann mit hellbraunem Haar und vorgeschobenem Kinn, der sie später führte, als sie als Besatzung nach Chemnitz verlegt wurden. Er hatte die Västgöter zur Ausbesserung der baufälligen Stadtmauern abkommandiert. Zu dieser Zeit meinten Krieger in der Regel, derartige grobe Arbeiten seien unter ihrer Würde. (Dies war eine der Ursachen dafür, dass unbestattete Leichen und Tierkörper ein so großes Problem waren; die Soldaten weigerten sich häufig, sie anzurühren,
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