Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges
Kleider in einem Backofen zu erhitzen, sie in Wasser zu tauchen oder sie mit Quecksilber zu behandeln. Im äußersten Fall konnte man gezwungen sein, alle befallenen Kleidungsstücke fortzuwerfen und ganz einfach neue zu kaufen. Grimmelshausens Held begnügt sich jedoch damit, die Läuse aus ihren Verstecken unter dem Harnisch mit Hilfe des Ladestocks seiner Pistole, um den er ein Stück Pelz gewickelt hat, herauszufischen: «… wenn ich dann mit dieser Lausangel unter den Harnisch fuhr, fischte ich sie dutzendweis aus ihrem Vorteil, welchen ich miteinander die Häls über das Pferd abstürzte, es mochte aber wenig erklecken.»)
Wenn irgend möglich, kleideten sich die Soldaten wie ihre Offiziere: farbenfroh, bequem und protzig, gern mit Rosetten, einer kecken Feder oder einem Federbusch, mit weiten, litzengeschmückten Hosen und spitzenbesetzter Jacke. Diese Pracht hatte die gleiche Funktion wie die glanzvolle Aufmachung des Edelmannes: Sie unterstrich die Kluft zwischen ihrem Träger und den sich abrackernden kleinen Leuten. (Wie die Tracht des Adels beeinflusste auch die des Soldaten die Mode vieler anderer ziviler Gruppen, während gleichzeitig ihre ausgefalleneren Varianten den gleichen höhnischen Tadel und den Vorwurf der Eitelkeit auslösten.) Die schönen Kleider waren zugleich, wie der deutsche Historiker Herbert Langer sagt, ein «äußerer Ausdruck dafür, das kurzbemessene, unsicher gestellte Leben zu genießen». Für einen armen jungen Mann, der vielleicht einem Leben in ein und derselben Garnitur ausgiebig geflickter Kleider entgegensah, konnte die protzige Tracht zu den Dingen gehören, die ihn dazu verlockten, den Werbetrommeln nachzulaufen.
Wer sich trotz allem diesen Bekleidungsluxus zu beschaffen vermochte, hatte selten das Glück, ihn lange zu behalten. Die Soldaten marschierten, aßen, arbeiteten und kämpften in ein und derselben Garnitur Kleider. Insbesondere weil man während der Kampagnen oft unter freiem Himmel schlief, waren Mantel und Hosen schnell verdorben, zumal die Qualität des Tuches oft minderwertig war. Zuweilen scheint ein halbjähriger harter Feldzug in Nässe und Matsch ausgereicht zu haben, um die Kleider zu ruinieren; die Klagen über die mangelhafte Bekleidung der Soldaten kehren auf jeden Fall in den Briefen der schwedischen Befehlshaber nach Stockholm ständig wieder, und oft nahm man Kontributionen und Subsidien in Form von Tuch gern entgegen. Verschlissene Kleidungsstücke wurden auf die einfachst mögliche Art ersetzt: Man nahm sich, was man brauchte, von Leichen, von Gefangenen oder von Zivilisten – und wenn Not am Mann war, konnten die Soldaten auch Frauenkleider tragen. Es dauerte deshalb meistens nicht lange, bis sich auch ein ordentlich und einheitlich eingekleideter Verband in eine aufgedonnerte Kavalkade von Stilen und Farben verwandelte, im Sommer von Staub bedeckt, im Herbst von Lehm und Schmutz, die aus der Entfernung mehr nach einer traurigen Ansammlung von Räubern und Bettlern aussah als nach freien Berufssoldaten – aber schließlich war die Grenze zwischen dem Soldaten und den beiden genannten Gruppen zuweilen auch schwer bestimmbar.
Wie die Soldaten wirklich aussehen konnten, ist auf einem Gemälde von Peeter Snayers zu sehen, das eine der überzeugendsten Studien eines Heeres in Bewegung darstellt, die wir aus dieser Zeit haben. Es zeigt gerade das schwedische Heer, als es in diesem Jahr – 1643 – die gescheiterte Belagerung von Freiberg abbricht und abzieht.
Im Hintergrund sieht man die Stadt – ein Gewirr von grünspanbedeckten Kupferdächern im Inneren einer umlaufenden Festungsmauer. An einigen Stellen wird noch geschossen, und Wölkchen von weißgrauem Pulverrauch steigen zum Nachmittagshimmel auf, an dem der bevorstehende winterliche Sonnenuntergang hinter einigen rosafarbenen Wolkenfetzen zu ahnen ist. Die flache Landschaft ist weiß von Schnee und Raureif, die wenigen Bäume sind nackt und kahl, die Gärten außerhalb des Wallgrabens leer und kalt, die bräunliche Bebauung dort ist verwandelt in eingefallene Skelette oder aufragende Mauerreste. Von unten herauf, dem Betrachter entgegen, winden sich dichte Kolonnen von Männern – wie zu erwarten ein Gewimmel von Farben: rot, braun und grün, blau, grau und metallisch glänzend –, gekrönt von dichten Stachelschweinrücken schwankender Musketenläufe und klirrender Pikenspitzen. Der breite, sich schlängelnde Weg ist voll von gedeckten oder mit Planen überspannten grauen und
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