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Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges

Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges

Titel: Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Englund
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werden.
    Was während dieser Herbstwochen geschah, war eigentlich vorhersehbar gewesen. Als der König ihm den Auftrag gab, die verschiedenen Festungen zu besichtigen, sandte er ihn an Orte und in Gegenden, wo die Pestepidemie schlimmer denn je wütete. (Allein in Thorn wurden die Toten zu Tausenden gezählt. Mardefelt, der Freund des Mannes, schrieb klagend an den König und berichtete, dass «die Garnison ziemlichen Schaden gelitten hat, und von der Leibgarde 100 Mann gestorben sind und noch viel mehr krank darniederliegen».)
    Nachdem er am 7 . Oktober von seiner Rundreise zurückgekehrt war, traf er den König, um seinen Bericht vorzulegen. Doch kaum war die halbstündige Audienz vorüber, als er «sich unpäßlich» zu fühlen begann. Er hatte sich mit der am meisten gefürchteten Krankheit von allen angesteckt, der Pest. Beulenpest.
    Die Pest war zu dieser Zeit
die
Krankheit, der große Totschläger, der seit dem Mittelalter in Europa umging. Um die Mitte des 14 . Jahrhunderts hatte sie Europa erreicht, und damals war ihr grob gerechnet jeder vierte Mensch zum Opfer gefallen. Pestepidemien hatten seitdem mit unheimlicher Regelmäßigkeit den Kontinent verheert. Die Pest war ein Teil des Lebens und der Welt, eine ständige Bedrohung; es war nicht möglich, dass ein Mensch das Erwachsenenalter erreichte, ohne ihr in der einen oder anderen Weise zu begegnen. Während längerer Perioden legte die Krankheit sich gleichsam zur Ruhe, nur um danach mit neuer Kraft zu explodieren. Schweden war während des 17 . Jahrhunderts in den Jahren 1602 – 03 , 1622 – 23 , 1630 , 1638 – 40 und zuletzt 1653 – 54 von Epidemien heimgesucht worden. Sie schlugen hart zu in gewissen Gegenden – so starben zum Beispiel in den Jahren 1602 und 1603 von den 1500 Einwohnern der Stadt Kalmar ungefähr 600 .
    Der Ablauf dieser Explosionen der Pest war in ganz Europa auf traurige Weise einförmig. Jeder, der konnte, und insbesondere die Bessergestellten, flüchtete Hals über Kopf – weg, nur weg. Beamte, Offiziere und Priester ließen ihre Pflichten und Tätigkeiten stehen und liegen. Andere verbarrikadierten sich in ihren Schlössern und Palästen. Die Armen blieben in der Regel zurück in den schwelenden Pestherden der Städte, wo sie von den Machthabern eingeschlossen wurden, die dafür sorgten, dass sie ernährt, isoliert und überwacht wurden, während die fleckigen Leichen draußen auf den leeren Straßen gesammelt wurden, wo bizarr ausstaffierte Ärzte mit spitzen Gesichtsmasken wie dunkle Vögel zwischen den befallenen, mit roten Kreuzen markierten Häusern umherzogen. Die Pest kam häufig wie eine zusätzliche Last zu anderen Katastrophen: Ein Land, das von Hungersnot oder Krieg schon schwer verwüstet und mitgenommen war, war empfänglicher für die Ansteckung. So war es auch in Polen, wo die Not und die Armeen den Epidemien wieder einmal die Tore geöffnet hatten. Die Pest war auch der Schrecken, die große Angst. Nichts, es sei denn das Gerücht vom Ausbruch eines Krieges, konnte die Menschen mehr in Schrecken versetzen als die Nachricht von einer herannahenden Epidemie, die sich wie ein unsichtbares Wesen bewegte, langsam, von Land zu Land, anscheinend unaufhaltsam. Doch die Pest verursachte oft mehr Todesfälle als die Invasion einer feindlichen Armee. Wenn die Menschen ihre periodischen, mörderischen Überfälle zu erklären versuchten, wurde die Pest auch zur großen Strafe, zum Zorn Gottes, der um ihrer Sünden willen über die Menschen kam. Darum waren Pestzeiten auch Zeiten hektischer Aktivität unter Priestern und anderen religiösen Experten; diese bedrängten dann alle, die zuhören wollten, mit Ergüssen theologischen Eifers und donnernden Ermahnungen zu Buße und Besserung.
    Es konnte bis zu zehn Tage dauern, ehe die Symptome sich bemerkbar machten. Der Angesteckte bekam hohes Fieber, mit dem Erbrechen, Kopfschmerzen und eine erhebliche Verschlechterung des Allgemeinbefindens einhergingen. Das Gesicht färbte sich hochrot, der Kranke hatte Schwierigkeiten zu sprechen, sein Gang wurde schwankend. Bald stellte sich ein, was der Krankheit ihren Namen gegeben hatte: die Beulen, manchmal klein wie Pfefferkörner oder mit dem Aussehen kleiner Brandblasen. Sie waren schmerzhaft und traten in der Leistengegend, den Achselhöhlen, am Ober-und Unterkiefer und im Nacken auf. Die Beulen schwollen und wurden groß wie Gänseeier, eiterten, bluteten und wurden schließlich von Brand befallen. Zwischen 50 und 80 Prozent

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