Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges
Kämpfe in großer Menge getötet worden waren. Ende Juli brach die Armee auf und marschierte weiter, aber der Mann aus Italien konnte nicht mitziehen, weil er noch immer kein eigenes Pferd hatte. Außerdem musste er mit einigen seiner alten Freunde und Gönner Kontakt aufnehmen. Er brauchte jemanden, der beim König ein gewichtiges Wort für ihn einlegte. Einer der zwei, die ihn aus Italien gerufen hatten, Wittenberg, war leider nun in Gefangenschaft, und der andere, Mardefelt, saß als Kommandant in Thorn fest. Und dort wütete die Pest. Eine zufällige Begegnung half ihm indessen aus seiner Verlegenheit.
In Italien war er dem Bruder des Königs begegnet. Dieser hatte ihn besucht, als er während jener schrecklichen Herbstwochen in Venedig – augenscheinlich – auf den Tod lag. Hatte dieser damals nicht gesagt, er glaube, dass sie sich «in diesem Leben nie wieder sprechen würden»? Als er nun hörte, dass Adolf Johan in der Nähe war, suchte er ihn auf, um, wenn möglich, aus ihrer flüchtigen Bekanntschaft aus der Zeit in Italien Nutzen zu ziehen. Er hatte Erfolg. Adolf Johan muss sich den pfiffigen jungen Mann in seinem von Ärzten umringten Bett in Erinnerung gerufen haben, denn er gab ihm ein Empfehlungsschreiben «in bester Form», und mit diesem in der Faust eilte er weiter nach Frauenburg, einem kleinen Ort oben am Meer – er lag zehn Kilometer südwestlich von Braunsberg, der Stadt, an deren Erstürmung der Stiefvater des Mannes vor nahezu exakt 30 Jahren teilgenommen hatte. Wie feine Leute dies stets taten, war der König aus Angst vor der Pest, die wie ein Flächenbrand über das Land zog, geflohen und hatte sich nach Frauenburg zurückgezogen.
In Frauenburg erhielt der Mann eine persönliche Audienz bei Karl Gustav und konnte bei dieser Gelegenheit in zeremonieller Form die Hand des Königs küssen und den Empfehlungsbrief von Adolf Johan überreichen. Er hatte Glück. Gerade war der Posten eines Generalquartiermeisterleutnants frei geworden. Selbst besaß er ja alle wünschenswerten Qualifikationen für diese Tätigkeit, praktische wie theoretische. Außerdem hatte er Karl Gustav hier und da Dienste geleistet, als dieser noch nichts weiter war als Graf von Pfalz-Zweibrücken. In der Schlussphase des vorigen Kriegs hatte er vor den Augen Karl Gustavs, seiner engsten Vertrauten und «aller Frauenzimmer» mit Hilfe von elf Tonnen Pulver den großen Turm vor Demmin in die Luft gesprengt. Und hatte Karl Gustav ihm nicht bereits damals einen Posten versprochen? Und so machte der König ihn nun «ohne weitere Umstände», wie in seinem Tagebuch steht, zum Generalquartiermeisterleutnant, mit einem Lohn von 70 Reichstalern im Monat. Die königliche Vollmacht erhielt er am 24 . September. Darin waren seine Aufgaben etwas näher definiert: Er sollte helfen, die Versorgung der Truppen zu organisieren und ihre Lager zu beschaffen, Terrain und Vormarschwege für das Heer rekognoszieren, verschiedene Festungen und wichtige Orte auskundschaften und abbilden, Brücken und Schanzen bauen sowie Minen sprengen und Batterien eingraben und bei Belagerungen Laufgräben ausheben. Dies war keine geringfügige Aufgabe und, wie er schnell merken sollte, auch keine ungefährliche, nämlich als eine Kombination von Späher, Sprengstoffexperte, Verwalter, Bauingenieur und Spion zu agieren. Aber sie sagte ihm außerordentlich zu, und er war offenbar froh und glücklich über die Ernennung; nun würde er volle Entfaltungsmöglichkeit für all seine Begabung und Energie und alle seine mit großer Mühe angeeigneten Kenntnisse bekommen. Dies war seine große Chance. Endlich würde er seinen Wert beweisen können.
Den ersten Auftrag erhielt er sofort. Der König schickte ihn los, eine Kette von Festungen, die sich von der Ostseeküste ins Landesinnere erstreckte, zu inspizieren. Die Reise ging nach Süden über Elbing, Marienburg, Graudenz und Thorn und wurde mit seiner üblichen Tatkraft und fast manischen Zielstrebigkeit ausgeführt. Elf Tage und 500 Kilometer später war er mit seinem Bericht wieder zurück. Aber mit einem Mal ging es schief. Sein eigener Kommentar im Tagebuch ist bedrückt, beinah ein wenig fatalistisch. Er spricht davon, «wie mein Glück nun wie stets zuvor mit Unglück vermischt gewesen», als seien seine Triumphe auf dem einen Gebiet immer von Tragödien auf einem anderen begleitet gewesen. Diese merkwürdige Mischung von Triumph und Tragödie sollte zu einem regelmäßigen Muster in seinem Leben
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