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Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges

Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges

Titel: Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Englund
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Krankheit schließen. Um eine weitere Ausbreitung zu verhindern, gaben schwedische Ärzte Ratschläge wie die, die Infizierten in besonderen Häusern zu sammeln, Totengräber und andere Personen, die mit den Kranken in Berührung gewesen waren, am Kontakt mit Gesunden zu hindern, sowie die Einfuhr von Waren zu unterbinden, die aus bereits befallenen Orten kamen oder die Ansteckung besonders leicht weitertragen konnten, wie beispielsweise Obst, Seidenstoff oder Papier. Ein weiterer Rat für die Begegnung mit einem Pestkranken war, dass man sich sorgfältig vor dessen Atem hüten sollte. Man war sich also darüber im Klaren, dass die Krankheit auf eine unergründliche Weise durch Kontakte zwischen Menschen verbreitet wurde. Der Mann selbst war dieser Auffassung, und er fürchtete offenbar, dass die Pest während der halbstündigen Audienz am 7 . Oktober von ihm zum König weitergewandert war.
    Er fürchtete natürlich, für die eventuelle Erkrankung des Königs zur Verantwortung gezogen zu werden, was nur der Fall sein konnte, wenn man wusste, dass er selbst krank war. Nur dann würde jemand einen Zusammenhang herstellen können zwischen der Beulenpest des Königs und dem jungen Generalquartiermeisterleutnant, der ihn vor Ausbruch der Krankheit besucht hatte. Der überstürzte Aufbruch erfolgte nach seinen eigenen Angaben auch tatsächlich, damit niemand erfahren sollte, dass er angesteckt war, und indem er den Diener fortschickte, entledigte er sich des letzten Zeugen seiner Krankheit. Danach konnte er allein der Pest begegnen, einsam im Wald, und sie entweder überstehen oder zugrunde gehen, ohne dass irgendjemand davon erfuhr. So etwa mögen sich die Gedanken in seinem von Entsetzen betäubten und verwirrten Kopf gedreht haben.
    So verschwand er in den Wald. Er sollte eineinhalb Monate fortbleiben. Was in der Folgezeit geschah, hat er selbst nachher in seinem Tagebuch beschrieben:
    Und dieweilen mir all mein Verstand und die Erinnerung geraubt war, so kann ich mich nicht erinnern, was mir alles geschah oder was ich alles unternahm, außer dem allein, daß ich meine Augen nicht offenhalten konnte vor Schlaf: tat auch nichts anderes, als auf dem Pferd zu schlafen, so daß ich mit Kopf und Körper an Zweigen und Büschen hängenblieb und oft nahe daran war, vom Pferd zu fallen, da ich die Zügel losgelassen und das Pferd schnell ging. Unzählige Male stieg ich vom Pferd und legte mich auf den nackten Erdboden, um zu schlafen, den Zügel um meine Hand gewickelt. Doch da der Schlaf nicht natürlich war, fuhr ich oft wie erschrocken hoch, und dann war das Pferd oft weit von mir entfernt. Aber ich weiß nicht, wie lange ich geschlafen hatte, und ich vermochte nicht so weit zu gehen, um es einzufangen, so matt war mein Körper, so wirr und schwer war mir der Kopf, daß ich nicht auf den Füßen stehen konnte, sondern auf allen Vieren kriechen mußte, bis ich zu meinem Pferd kam. Und das größte Glück war, daß die arme Kreatur, ohne Zweifel meinen jämmerlichen Zustand bemerkend, oder eher dem Willen Gottes folgend, stets stillstand und sich gutwillig fangen ließ, sonst wäre ich im Wald umherirrend gestorben und ohne Zweifel verloren gewesen oder von Schnapphähnen und ihresgleichen ermordet worden, alldieweilen die Wälder voll waren von flüchtigen polnischen Bauern, die die Schweden elendiglich niederschlugen, wo sie sie ergreifen konnten. Aber Gottes Hand rettete mich offenbar.
    Schließlich kam ich mit großer Mühe wieder aufs Pferd und erinnere mich wie in einem Traum, daß ich lange Zeit ritt, bis ich das Meer erblickte.
    Er folgte einem kleinen Waldweg zum Meeresufer und kam an ein kleines Haus, das sich als Herberge erwies. Es war gegen Abend, und da er während dieser drei traumartigen Tage nichts gegessen hatte, war er natürlich hungrig, also stieg er ab, um Verpflegung und Unterkunft zu suchen. Der Wirt – der an der Kleidung des Mannes sah, dass dieser einigermaßen bei Kasse war – zeigte sich bereit, ihn aufzunehmen, führte sein Pferd in den Stall und trug die Taschen hinein (eine von ihnen enthielt 360 Reichstaler). Selbst hatte der Mann große Schwierigkeiten, sich ins Haus zu schleppen; die Krankheit wütete mit ganzer Kraft in seinem Körper, und alle Symptome hatten begonnen, sich einzustellen; er torkelte auf schwachen Beinen, an den Zaun und gegen die Wände gestützt. Der Wirt und die Wirtin glaubten, er sei betrunken, und selbst sagte er nichts von seiner ansteckenden Krankheit. Dann warf er

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