Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges
Verbände hatten die an Land gegangenen Dänen vom Wasser abgeschnitten, die Schanze gestürmt und die Besatzung von rund 1000 Mann niedergemacht. Einer der Anführer bei dem Sturm auf die Schanze war der Vetter Königin Christinas, der 22 -jährige Pfalzgraf Karl Gustav, der seit jenem Tag bei Leipzig vor fast zwei Jahren, als sein Pferd von einer kaiserlichen Kettenkugel zerrissen wurde, in Torstenssons Heer gekämpft hatte. Die zwei Jahre im Feld hatten den jungen Mann verändert, nicht zuletzt seine politischen Ansichten. Früher, als ballwerfender und kartenspielender Weichling am Hof in Stockholm, hatte er unter dem Einfluss der Personen im Umkreis der Königin Christina gestanden, die Axel Oxenstiernas aggressiver Außenpolitik skeptisch gegenüberstanden und eher den Frieden anstrebten. Selbst hatte er sich für den schnellen Abbruch aller Kriege ausgesprochen, in die Schweden verwickelt war. Seitdem war etwas geschehen. Karl Gustav hatte sich am Hof in Stockholm beiseitegeschoben und geringschätzig behandelt gefühlt, und erst als er zur Armee gekommen war, sah er sich anerkannt. Infolgedessen hatte er eine heftige Liebe zum Heer und zu dem Leben in dessen Mitte entwickelt. Zu alledem schien der junge Pfalzgraf entdeckt zu haben, dass er für den Krieg und der Krieg für ihn geschaffen war; sein Wesen war hart geworden, militarisiert worden. Seine Zweifel an der Expansionspolitik hatten sich in Luft aufgelöst. Jetzt war er ein Bekehrter. Er hatte das Licht gesehen. Oder, richtiger gesagt, das Dunkel. Und dieses Dunkel trug den Spitznamen Dänemark, ein Reich, das er zutiefst verabscheute, ein Reich, das er als eine ständige Gefahr für den Frieden und die Sicherheit ansah. Den Jüten nur zu unterwerfen, war nach Ansicht des jungen Karl Gustav nicht genug. Nein, meinte er in einem Brief, Dänemark als Staat müsse vernichtet werden. Ausgelöscht werden. Es war einfach notwendig. Im Kopf dieses Zweiundzwanzigjährigen begann ein weitgespanntes außenpolitisches Programm Kontur anzunehmen, das nach und nach ungeheure Folgen für die betroffenen Völker bekommen sollte.
Der Weg aufs Meer hinaus war frei. Nach einigen umständlichen Manövern stahl sich die schwedische Flotte gegen zehn Uhr am Abend des 2 . August aus der Kieler Förde, eine lange, leise knarrende Reihe von Schiffen mit gelöschten Laternen. Mit Unterstützung des stetigen Winds verschwanden die schwedischen Schiffe rasch in Richtung Nordosten nach Stockholm. Es war im allerletzten Augenblick. Am Tag danach marschierte Gallas’ Heer in Kiel ein. Christian wurde erneut fuchsteufelswild und ließ den Befehlshaber der dänischen Flotte enthaupten, weil er die Schweden so leicht hatte entkommen lassen.
Aber aufs Ganze gesehen konnte er zufrieden sein. Das Jahr hatte mit einer Serie von Katastrophen begonnen. Der Zusammenbruch war nahe gewesen. Nun schien sich alles gewendet zu haben. Die schwedische Flotte war wieder heimgesegelt. Den dänischen Inseln drohte keine Invasion mehr. Außerdem hatte sich Torstenssons Armee wieder nach Süden gewandt, um Gallas’ Heer entgegenzutreten. Der Hauptteil der schwedischen Truppen verließ Mitte August die Halbinsel, um den deutschen Krieg wieder aufzunehmen. Und Anfang September begann die dänische Armee mit einer Gegenoffensive, um Schonen zurückzuerobern. Sie ging, genau wie Horn es sich ausgerechnet hatte, von dem Brückenkopf Malmö aus. Christian tat genau das, was man tun musste, und drängte die schwedische Armee Schritt für Schritt nach Nordwesten. Es war ein Manöverkrieg der üblichen Art. Keine der beiden Seiten war gewillt, eine Schlacht zu wagen, und mehrmals blieben die beiden Heere in befestigten Lagern stehen, während sie sich gegenseitig ohne große Wirkung aus der Distanz bombardierten – von einem dieser Bombardements wird berichtet, dass es kaum mehr Effekt gehabt habe als eine ganze Anzahl getöteter Kühe. Horns Heer war in Bedrängnis, denn der Unterhalt war schlecht, nicht zuletzt weil die Aktionen der Schnapphähne mit neuer Intensität wieder einsetzten, nachdem sich unter den Schonen die Nachricht verbreitet hatte, dass ihr König mit einer Armee gelandet war. Auch die Krankheiten unter den Soldaten mehrten sich. So starben beispielsweise in einem Infanterieregiment, das beim Beginn der Kampagne fast 1000 Soldaten und Offiziere zählte, zwischen Februar und Anfang November 397 Mann durch Krankheiten. In der gleichen Zeit fielen 24 Soldaten im Kampf, sieben desertierten,
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