Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges
anwesend sein durften. Manche hatten sogar Christina den Zutritt verweigern wollen, obwohl sie die Regentin des Reiches war! Jemand hatte daraufhin geltend gemacht, dass sie faktisch als König zu betrachten sei – also ein männlicher Titel –, woraufhin sie nach einigem Murren eingelassen wurde. Aber ihre Hoffräulein mussten hübsch draußen bleiben.
Es gab ein wachsendes politisches Interesse unter vielen Frauen des 17 . Jahrhunderts. Auch hierin scheinen die französischen Frauen führend gewesen zu sein. Kardinal Mazarin – ein schwarzhaariger Italiener mit Spitzbart, der die kirchliche Laufbahn lediglich gewählt hatte, um Karriere zu machen, und dem es dank seiner Energie, Intelligenz, Begabung für Intrigen und seines einschmeichelnden Wesens gelungen war, mit knapp 40 Jahren nach dem Tod Richelieus 1641 dessen Posten zu übernehmen – beklagte sich bei einem spanischen Minister über die Frauen:
[Sie] wollen sich in alles einmischen. Eine anständige Frau will nicht mit ihrem Mann schlafen, noch eine Kokotte mit ihrem Liebhaber, wenn sie nicht am Tage mit ihnen über Staatsangelegenheiten gesprochen haben! Sie wollen alles sehen, alles fühlen und, was noch schlimmer ist, alles tun und alles in Ordnung bringen.
Weil die politische Arena den Frauen des 17 . Jahrhunderts so total und kompromisslos verschlossen war, suchten sie andere Wege, um Einfluss auf die Herrschenden zu nehmen.
Zwei Beispiele: Während des ganzen Jahrhunderts kam es überall in den Städten Europas zu zahlreichen Tumulten und Krawallen, die fast immer der Unzufriedenheit der niederen Schichten mit der Nahrungsmittelversorgung entsprangen. Oft begannen diese Proteste mit Gerüchten, dass der Getreidepreis angehoben werden solle oder eine Knappheit drohe. In diesen Aufständen – die nicht selten Erfolg hatten und verschreckte Händler veranlassten, die Preise zu senken, oder ebenso verschreckte Behörden, auf die eine oder andere Weise die Lebensmittelversorgung zu sichern – spielten gerade Frauen eine entscheidende Rolle. Es gibt Beispiele für Hungerkrawalle, an denen ausschließlich Frauen beteiligt waren. Und während der Straßenauflauf den Frauen der niederen Gesellschaftsschichten eine Möglichkeit bot, die Politik zu beeinflussen, konnten die Frauen der Oberklasse über ihre Männer Einfluss nehmen. Dieser Hintereingang zur Macht ist stets von Männern und Frauen benutzt worden, die aus verschiedenen Gründen ausgeschlossen waren, sich aber nicht damit zufriedengeben wollten. Aber die Frauen, die ihn benutzten, sind von den Zeitgenossen wie von späteren Generationen nicht selten in sehr abschätzigen Begriffen beschrieben worden, als machthungrige Weibsbilder und Schlafzimmerherrscherinnen. (Man beachte, dass ein Mann wie Mazarin – der also in seiner oben zitierten Klage darauf anspielt – nie mit vergleichbaren Schimpfworten beworfen wurde, weil er sich seine feine Position dadurch verschaffte, dass er, wie man so sagt, «intim» mit der Gemahlin Ludwigs XIII ., der Königinwitwe Anna, war. Ein solcher Einfluss wurde im Übrigen nicht immer mit erotischen Mitteln erreicht. Die Frau, die später durch Ludwig XIV . größte Macht ausüben sollte, die Marquise de Maintenon, war nicht seine Geliebte, während die Marquise de Montespan, die es war, keinerlei Einfluss hatte.) Das 17 . Jahrhundert wird gern als die Glanzzeit der Mätressen mit echtem politischem Einfluss beschrieben, doch dies ist eine böswillig verzerrte Beschreibung einer Epoche, in der Frauen sich immer stärker für Politik interessierten und einige auch alle Mittel, die ihnen zur Verfügung standen, einsetzten, um politischen Einfluss zu bekommen.
Wenn Frauen sich gezwungen sahen, zu so extremen Mitteln wie Straßenkrawallen oder Fernsteuerung verschiedener ihnen nahestehender Männer zu greifen, beweist dies jedoch, wie einseitig männerdominiert die politische Welt war. Und selbst wenn viele bewundernswerte Frauen im Verlauf des Jahrhunderts bemerkenswerte Leistungen vollbrachten, waren die Frauen, die gegen Ende des Jahrhunderts lebten, aufs Ganze gesehen ebenso beiseitegeschoben, unterdrückt und verleumdet wie einst ihre Großmütter zu Beginn des Jahrhunderts. Die Macht gehörte den Männern und ihnen allein.
Es ist also nicht besonders erstaunlich, dass die junge Christina sich gespalten fühlte, als sie in diese strikt eingeschlechtliche Welt eintrat, noch ist es verwunderlich, dass sie auf die hochgespannten Erwartungen und auf die
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