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Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges

Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges

Titel: Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Englund
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sich stets aufs Neue in seiner ständig vorwärtsdrängenden Bewegung, ertränkte, entwurzelte und riss alles mit sich. Gegen Ende des Sommers 1644 war der Fluss jedoch erneut abgebogen und wieder auf dem Weg hinunter nach Deutschland.
    König Christian hatte ja den Kaiser dazu bewogen, seine Armee unter Gallas zu Hilfe zu senden. Getreu seiner Gewohnheit, nie eine Gelegenheit zu verpassen, eine Gelegenheit zu verpassen, war Gallas zu spät in Kiel eingetroffen, um die eingeschlossene schwedische Flotte einzukassieren. Falls das Eingreifen der Kaiserlichen als sogenannte Diversion hatte dienen sollen, verlief zumindest dieser Teil des Vorhabens planmäßig. Wenn Gallas’ Armee in Holstein stand, waren die wichtigen schwedischen Besitzungen an der deutschen Ostseeküste bedroht, und Torstensson beschloss deshalb, den Feldzug in Jütland abzubrechen, dem kaiserlichen Heer entgegenzuziehen und den deutschen Krieg wieder aufzunehmen.
    Torstensson brachte es wieder einmal fertig, seinen kaiserlichen Kollegen vollständig auszumanövrieren. Gallas, noch nie ein Anhänger einer besonders mobilen Kriegsführung, gedachte, die Schweden auf der gründlich kahlgefressenen Halbinsel irgendwie einzuschließen, und ließ deshalb seine Truppen hinter einer Reihe von Verschanzungen, Verhauen und Verdämmungen südlich der Eider in Holstein verschwinden. Die schwedische Armee dagegen agierte mit der gewohnten Schnelligkeit, zog rasch in langen Kolonnen nach Süden, rannte einige vorgeschobene kaiserliche Posten über den Haufen, stürmte ein paar Schanzen und rückte durch ein Sumpfgelände vor, tauchte überraschend auf der linken Flanke des kaiserlichen Heeres auf, schwenkte in einem Bogen um dessen Rücken und weiter nach Süden zur Elbe. Gallas sah seine rückwärtigen Verbindungslinien in Gefahr, ja schlimmer noch: Da die kaiserliche Hauptarmee oben in Holstein stand, lagen die Kernlande des Kaisers offen da für eine neue schwedische Invasion. Torstensson konnte wieder einmal einen Nachteil in einen Vorteil wenden. Gallas hatte keine andere Wahl, als seine Armee wie eine verwirrte Riesenschnecke hinterherkriechen zu lassen. (Die Dänen, die schon zuvor mehr als unzufrieden gewesen waren mit Gallas’ Lethargie und Langsamkeit, hatten nun genug und marschierten wütend zurück nach Jütland, wo sich immer noch mehrere schwedische Verbände aufhielten und mit großer Rücksichtslosigkeit das Land aussaugten, um es für ihre Gegner unbrauchbar zu machen.)
    Das kaiserliche Heer schien zunächst seinen schwedischen Gegnern zu folgen, verschwand aber nach kurzer Zeit über die Elbe und zog weiter nach Süden nach Mitteldeutschland, de facto ein überstürzter Rückzug durch ein gründlich verheertes Land. Gegen Ende September war jedoch das schwedische Heer wieder einmal herangekommen, worauf Gallas getreu seinem schneckenhaften Reflexverhalten sich sogleich in sein Haus zurückzog, will sagen, wieder einmal seine Truppen sich eingraben ließ, um auf angekündigte Verstärkungen zu warten, die sich jedoch nie blicken ließen. Torstensson ließ sich diese Gelegenheit nicht entgehen und schloss das befestigte Lager, das ein Stück südlich von Magdeburg lag, mit einer Kette starker Reitereiposten ein, die den Kaiserlichen jede Versorgungsmöglichkeit abschnitten. Bald ging das Brot zur Neige, und die Soldaten mussten von ungedroschenem Getreide leben. Krankheit und Hunger begannen wie erwartet unter den Eingeschlossenen zu wüten, und Menschen und Tiere starben in großer Zahl. Gallas blieb nichts anderes übrig, als viele Kranke, den größeren Teil seiner Artillerie und seinen Tross zurückzulassen und Hals über Kopf im Schutz der Dunkelheit in das nahe gelegene Magdeburg zu fliehen. Ein Teil seines Fußvolks war zu diesem Zeitpunkt bereits so geschwächt von den Entbehrungen, dass er mit Wagen transportiert werden musste. (Gallas war nie so listig wie auf der Flucht. Damit der Abmarsch so leise wie möglich vor sich ging, ließ er angeblich sämtliche im Lager befindlichen Hunde, Hähne und Esel töten, und sicherheitshalber opferte er eine Abteilung von 1500 Mann, die er zur Plünderung Eislebens losschickte, um die Aufmerksamkeit der Schweden abzulenken.) In Magdeburg wiederholte sich das Spiel, als die Stadt kurz darauf von den Schweden eingeschlossen wurde, die alle Verbindungen abschnitten. Um ein drohendes Massensterben unter den Reittieren und Mannschaften abzuwenden, versuchte die kaiserliche Reiterei in einer dunklen

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