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Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges

Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges

Titel: Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Englund
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Nacht einen Ausbruch aus der Stadt, aber sie wurde bei Jüterbog eingeholt und niedergemacht oder gefangen genommen. Der Weg von und zur Stadt war mit Leichen übersät: Nur wenige hundert Mann einer ursprünglichen Truppe von 4000 sollen entkommen sein, und die Schweden erbeuteten unter anderem 3500 Pferde. Während der späte Herbst in einen frühen Winter überging, nahm der Hunger unter den eingeschlossenen Soldaten noch zu, die schließlich Hunde und Katzen verzehrten, um zu überleben. Ihre Not wurde auch nicht dadurch gelindert, dass die Bürger der Stadt sich weigerten, den Truppen Getreide zu verkaufen, und dass der Kurfürst von Sachsen, bebend vor Zorn über Gallas’ Feldherrenkunst, dem Kommandanten Magdeburgs verbot, den Eingeschlossenen Lebensmittel aus den Magazinen der Stadt zu überlassen. Täglich desertierten Offiziere und Mannschaften in Scharen aus der Stadt, aber sie waren so ausgehungert und aufgrund ihrer schlechten Verfassung so wenig brauchbar, dass die Schweden sie kalt abwiesen, wenn sie sich deren Linien näherten. Und Gallas saß mit finsterer Miene da und soff.
    Als Treibeis die Brücken der Schweden über die Elbe zerstörte, ließ Gallas die Reste seines Heeres einen verzweifelten Ausbruch nach Südosten unternehmen. In kleinen Gruppen und auf verschiedenen verschlungenen Wegen suchten seine dezimierten Verbände sich ihren Weg hinunter nach Böhmen und in Sicherheit. Von der stolzen kaiserlichen Armee, die im Frühsommer um die 12 000 Mann gezählt hatte, waren nur noch rund 2000 Gespenster in Uniform übrig geblieben. Das Heer war so gut wie vernichtet. Und Gallas erhielt wieder einmal seinen Abschied.
    Die Schweden zögerten nicht lange, das militärische Vakuum auszunutzen, das mit dem Dahinschmelzen der kaiserlichen Hauptarmee entstanden war. Die schwedische Armee drang Ende 1644 ein weiteres Mal in Sachsen ein; die Operation verfolgte den Zweck, die Sachsen endgültig aus dem Krieg auszuschalten. Die Truppen marschierten direkt auf Leipzig zu, wo Torstensson dem Kurfürsten mitteilen ließ, er werde das gesamte Umland der Stadt «zu einer Wüste» machen, falls dieser nicht auf der Stelle in einen Waffenstillstand einwillige. Um seinen Worten Nachdruck zu verleihen, ließ Torstensson seine Truppen eine Anzahl sächsischer Städte und Schlösser zerstören. Pegau zum Beispiel, ein kleiner Ort, der sich beim Anmarsch der Schweden geweigert hatte zu kapitulieren, wurde einem Artilleriebeschuss von selten gesehener Heftigkeit ausgesetzt. Zahlreiche Einwohner wurden bei dem Feuersturm getötet, und nur 20 Häuser entgingen der Zerstörung. Der Kurfürst von Sachsen war zu Verhandlungen bereit.
    Torstensson – immer stärker von seinem Gelenkrheumatismus geplagt, zuweilen so krank, dass er nicht die Feder halten konnte, um seine Befehle zu unterzeichnen – hatte große Pläne. Nun, da Sachsen mehr oder weniger gesichert war und die schwedischen Truppen in provisorischen Winterquartieren um Leipzig herum warteten, beabsichtigte er nach Beratungen mit dem Rat und der Königin, den alten schwedischen Traumplan ins Werk zu setzen und «den Kaiser im Herzen seiner Macht anzugreifen und dadurch zum Frieden zu zwingen». Dies sollte indessen nicht in Form eines isolierten schwedischen Eilmarsches hinunter in die Erblande erfolgen, nein, alle Feinde des Kaisers sollten nun zu einem gemeinsamen Angriff ansetzen, um noch ein weiteres Mal die «Reise nach Jerusalem» zu spielen. Aus dem Osten und Ungarn sollte der protestantische Fürst Georg von Transsilvanien mit seiner bunten Armee anmarschieren. Georg hatte ja früher 150 000 Reichstaler an jährlichem Unterhalt bekommen, um gegen den Kaiser in den Krieg einzutreten, und hatte gerade eben Unterstützung von der Türkei erhalten. Seine nicht allzu moderne Armee hatte in den Kämpfen mit den Kaiserlichen stark gelitten, aber zumindest konnte sie ein wenig für Tumult sorgen und Verwirrung stiften. Außerdem hatten protestantische Bauern in Österreich gerade einen Aufruhr begonnen. Von Westen sollte ein französisches Heer ins Land einfallen, jetzt von einem neuen Marschall angeführt, Henri de La Tour d’Auvergne, Vicomte von Turenne. Während der vergangenen Jahre, als sich die Schweden in ihrem dänischen Blitzkrieg verzettelten, hatten die Franzosen unentwegt mit den Bayern am Rhein gefochten. Bayern war Kaiser Ferdinands wichtigster Verbündeter; das Land lag wie ein riesiges Bollwerk da und schützte seine Erblande vor einem direkten

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