Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges
Angriff aus Westen, während gleichzeitig die bayerische Armee das Rückgrat seiner Streitkräfte bildete. Die Franzosen hatten am Rhein mit immer größerer Schlagkraft zu agieren begonnen, weil 1643 ein Wendepunkt im Kampf gegen die Spanier eingetreten war und sie nun einen größeren Teil ihrer Truppen für den deutschen Krieg abstellen konnten. Geschehen war Folgendes: Mitte Mai wurde ein spanisches Heer in einer großen Schlacht vor der belagerten Grenzfestung Rocroi in Nordfrankreich besiegt. Nach einem wütenden Vor-und Zurückstoßen über das flache und enge Tal, in dem die Schlacht stattfand, hatten die Franzosen schließlich die Oberhand gewonnen. Als nach einem den ganzen Tag währenden Kampf die Nacht hereinbrach, lag die Blüte der militärischen Macht Spaniens über das Schlachtfeld verstreut. Die stolze und gefürchtete spanische Infanterie – die unter anderem bei Nördlingen mit solcher Bravour gesiegt hatte – war fast bis zum letzten Mann niedergemacht worden, nachdem sie in der Schlussphase des Kampfes von französischer Infanterie und Artillerie eingeschlossen worden war, die aus kurzer Entfernung Salve um Salve in die hilflosen und dichtgedrängten Menschenmassen abgefeuert hatten. Die Kampfmoral der Spanier war gebrochen, die altgedienten Krieger gefallen und die Armee praktisch vernichtet – ein gefangener spanischer Offizier sagte resigniert: «Sie brauchen nur die Gefangenen zu zählen, und die Toten.» Viele meinten, dass Spaniens Glanzzeit als bedeutendste Großmacht Europas nun vorbei sei. Im August 1644 hatten französische Streitkräfte – einschließlich kleiner trauriger Reste der einst so widerspenstigen Bernhardiner – erneut den Rhein überquert und nach drei aufeinanderfolgenden Schlachten die eingegrabene bayerische Armee zu einem widerwilligen Rückzug nach Osten gezwungen. (Der Sieg war eher trotz als dank der französischen Generale gewonnen worden, die die Schlacht zunächst mit einem so komplizierten Plan eröffnet hatten, dass er fast auf der Stelle fehlschlug, und daraufhin rasch dazu übergingen, eine Reihe sinnloser, schlecht abgestimmter und extrem verlustreicher Frontalangriffe zu starten. Die Verluste beliefen sich auf bis zu 50 Prozent der Kämpfenden. Die Bernhardiner waren fast ganz vernichtet worden. Von drei Regimentern waren nachher nur noch drei Offiziere und 50 Gemeine übrig. Dass sie schließlich erfolgreich waren, beruhte in erster Linie auf Zufall. Es war die blutigste Schlacht des Krieges, und sie führte zu nichts.) Und die Franzosen wollten 1645 ihre Angriffe fortsetzen.
Es sah wirklich so aus, als könnte man gemeinsam große Erfolge erringen.
Vielleicht war dies auch der Grund, warum der Friedenskongress in Westfalen nun wirklich in Gang gekommen war. Am 4 . Dezember 1644 , 18 Monate nachdem Ferdinand seine Zustimmung zur Teilnahme gegeben hatte und nicht weniger als 32 Monate nach dem Datum, auf das man sich ursprünglich in Hamburg geeinigt hatte, wurden die Verhandlungen in Münster und Osnabrück eröffnet. Keiner der Beteiligten hatte einen übertriebenen Eifer an den Tag gelegt. Als einer der Ersten traf Johan Adler Salvius ein, im Herbst 1643 . Sein Kollege und Intimfeind Johan Oxenstierna brüstete sich in gebührendem Abstand, denn er war der Meinung, seine Würde verlange, dass sein Auftritt erst erfolgen könne, wenn die französischen Legaten eingetroffen seien. Der Repräsentant des Papstes, Nuntius Fabio Chigi, traf erst während der Schneeschmelze im März 1644 ein – er vermied sorgfältig jeden Kontakt mit den Schweden, die er mit einem Schnauben «ketzerisch und barbarisch» nannte –, und weder Holländer noch Spanier hatten schon ihre Plätze eingenommen, als der Kongress im Dezember dieses Jahres eröffnet wurde (die Letzteren ließen noch bis Neujahr 1646 auf sich warten).
Das Leben in den beiden entmilitarisierten deutschen Städten änderte sich, als plötzlich diese zahllosen Scharen von Gesandten über sie hereinbrachen. Die Delegationen waren von sehr unterschiedlicher Größe. Die französische Gruppe umfasste rund 200 Männer, Frauen und Kinder, während viele der kleinen deutschen Fürstentümer nur durch eine einzige Person vertreten waren. Eng war es auf jeden Fall. Die Regel war, dass zwei Personen sich ein Bett teilen mussten; so hatten sich beispielsweise die 29 Mitglieder der bayerischen Delegation über 18 Betten zu einigen. (Ein Historiker hat allerdings angemerkt, dass die Bayern auch zwischen zwei und
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