Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges
die Ostsee zu segeln; die Bedrohung durch umherkreuzende dänische Kriegsschiffe wurde als allzu groß erachtet. Erik fand jedoch einen Schiffer, der die Gelegenheit nutzen wollte, im Konvoi mit Rynings Flotte nach Süden zu segeln.
Immer wieder setzte die Flotte Segel und lief aus aufs offene Meer, aber jedes Mal zwangen die Winde sie zur Umkehr. Dies war der übliche Fluch des Reisens auf See. Alles hing vom Wetter ab. Nach einem Monat war man nicht weiter gekommen als bis Mellsten, eine Strecke von 20 Seemeilen, die man sonst in wenigen Stunden zurücklegte. Der Sommer 1645 war ungewöhnlich stürmisch, und mehrere Male hatten Unwetter die Flotte gezwungen, die Segel zu streichen; Anker waren verloren gegangen und Schiffe beschädigt worden. Schließlich, nach nicht weniger als einundzwanzig misslungenen Versuchen auszulaufen, kam am frühen Morgen des 20 . Juni der ersehnte Rückenwind. Die Flotte machte gute Fahrt nach Süden, doch als sie an der Nordspitze Ölands vorbeigesegelt war, traf sie in der Nacht ein Sturm aus Südosten.
Heulende Sturmböen fielen über sie her, und mitten in den Windstößen schlug das kleine Schiff, auf dem Erik mitreiste, leck. Sturzseen packten die Schute und schleuderten sie in den Wellentälern hin und her, «so daß wir jeden Augenblick vermuteten, daß die See uns und unser Fahrzeug verschlingen wollte». Die Pumpe ging ununterbrochen. Der Steuermann musste am Ruder festgebunden werden, um nicht über Bord gespült zu werden. Der Sturm trieb sie auf Gotland zu. Am folgenden Morgen war der Himmel «so rot wie ein Feuer», genau wie am Morgen davor, sodass Erik verstand, was sie während des Tags erwartete. Sie waren an die dreißig Personen an Bord – Männer und Frauen; einige wollten vor dem Wind nach Kurland oder vielleicht Danzig laufen, aber der Schiffer war hartnäckig: Er hoffte, dass das Unwetter sich bald legen würde, und blieb deshalb auf dem eingeschlagenen Kurs. Doch der Sturm wurde nur noch stärker. Die Flotte wurde im Verlauf des Tages auseinandergetrieben, und gegen Abend konnten sie nur 13 andere Segel sehen, wenn sie über die schaukelnde Reling spähten. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Schiffer kalte Füße bekommen, aber da war es bereits zu spät. Sie konnten nicht mehr umkehren, denn wenn sie nach Westen blickten, konnten sie unter einem sturmverwirbelten Himmel das dänische Gotland ahnen.
Die zweite Nacht wurde, wenn das überhaupt möglich war, noch schlimmer als die erste. Der wilde Kampf des Meers mit dem Wind ging weiter, und die Katastrophe drohte ihnen nun von zwei Seiten. «So gab es keinen Augenblick, in dem wir nicht den Tod durch die großen Wogen erwarteten», berichtet Erik, «doch größer waren unsere Angst und die Gefahr, jeden Augenblick von dem fürchterlichen Sturm in Gotland an Land geworfen zu werden.» Sollten sie wider Erwarten nicht ertrinken – sehr wenige, selbst unter den Seeleuten, konnten zu dieser Zeit schwimmen –, so warteten dänische Soldaten und Wrackplünderer, wenn die Schute an Land geworfen würde. (Küstenbewohner besserten im Allgemeinen ihre Einkünfte durch die Plünderung von Wracks auf, ein Gewerbe, bei dem die Erschlagung der Überlebenden ein ziemlich natürlicher Nebeneffekt war.) Der Schiffer ließ angesichts all der zischenden Wogenkämme, die im Dunkeln um sein Schiff tobten, den Mut sinken «und forderte uns auf, um Gottes Hilfe und ein seliges Ende zu beten und zu flehen, sintemalen alle menschliche Kraft nun am Ende war».
Doch nichts half. Die sturmgeschüttelte Schute nahm immer mehr schäumendes Wasser über, trotz der Plackerei der Männer an der Pumpe. Eine Bö knickte den Großmast, der unter dem Jammern und Schreien der schreckensbleichen Mannschaft das regenschwere Sturmsegel mit über Bord riss, hinaus in die Nacht.
Um elf Uhr am Tag danach brach die graue Wolkendecke ein wenig auf, und zum ersten Mal seit zwei Tagen kam die Sonne heraus. Die Menschen an Bord hofften, der Sturm werde nun endlich abflauen. Zunächst wehte der Wind jedoch weiter, und die zischenden Wogenkämme wirbelten das brüchige kleine Schiff weiter herum, das ohne Mast und Großsegel äußerst schwer zu steuern war. Erst am nächsten Tag ließ der Sturm nach. Segel auf Segel offenbarte sich am Horizont, und nach einem Tag war der größte Teil der Flotte wieder vereinigt, und alle nahmen Kurs nach Süden. Für diesmal war die Gefahr überstanden. Nur drei Schiffe waren so schwer beschädigt, dass sie nach Stockholm
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