Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges
aller adligen Jünglinge aus vermögendem Hause, doch für Wrangel scheint sie ein ziemlich rasch erledigtes Intermezzo gewesen zu sein, das ihm zwar kulturelle Interessen vermittelte und ihn in die Lage versetzte, sich in feinen Salons zu bewegen, aber keine Spuren in Form einer tiefergehenden Bildung hinterließ. Sein Sinn stand von Anfang an nach dem Krieg. Unmittelbar nach dem Ende seiner Reise schloss er sich siebzehnjährig Gustav Adolfs Heer in Deutschland an, machte die Schlacht bei Lützen mit und kletterte danach rasch in der Rangordnung nach oben, beflügelt von seinem eigenen rastlosen Ehrgeiz und der unverhüllten Protektion seines einflussreichen und von Standesdünkel erfüllten Vaters. 1635 war er zum Kommandeur eines Kavallerieregiments gemacht worden, zeigte sich sowohl verwegen als auch rücksichtslos, wurde mehrmals verwundet – am Kopf, an den Armen –, gefangen genommen, befreit, erkrankte an Masern, geriet aufgrund der Tatsache, dass sein Vater ihn so schnell und unbefugt in die höheren Ränge gehievt hatte, unverschuldet mit Banér aneinander – der junge Adelssprösslinge verabscheute, die aufgrund ihrer Herkunft Karriere machten –, kämpfte aber dennoch als Generalmajor sowohl unter Banérs als auch später unter dessen Nachfolger Torstenssons Kommando. Er erwarb sich nach und nach einen guten Ruf als Offizier, nicht sonderlich beliebt bei der Mannschaft, aber mutig, tüchtig und energisch; so schloss sich ihm zum Beispiel der junge Pfalzgraf Karl Gustav an, um das Kriegshandwerk zu lernen. Mit der Zeit wurde er einer von Torstenssons Vertrauten, und als solcher war er zu der schwedischen Flotte geschickt worden, als diese 1644 in der Kieler Förde eingeschlossen lag. Er kam gerade rechtzeitig an, um Claes Fleming mit seinem abgeschossenen Bein daliegen und verbluten zu sehen. Danach musste er selbst, erst 30 Jahre alt, den Befehl über die Geschwader übernehmen. Seitdem hatte er viele in Staunen versetzt. Er war ja ursprünglich Landkrieger, hatte sich aber außerdem als unerwartet geschickter Seekrieger erwiesen; unter anderem hatten sein Draufgängertum und seine rücksichtslose Nahkampftaktik sich bei Fehmarn ausgezahlt. Seine Persönlichkeit wies Züge eines stolzen und ein wenig arroganten Kriegsknechts auf, und wie so mancher andere hatte er sich im Krieg gut eingerichtet. Er war jedoch keineswegs gefühlskalt. Unter anderem geriet er mit seinem beschützenden, aber autoritären Vater aneinander, als er 1640 aus keinem anderen Grund als aus Liebe eine schöne, doch bedauerlicherweise sowohl ihrer Herkunft nach niedere als auch arme Adlige geehelicht hatte. (Die große Empörung des Vaters nimmt sich ein wenig sonderbar aus, wenn man bedenkt, dass dieser sich einige Jahre zuvor mit einem jungen Mädchen verheiratet hatte, das eigentlich die Verlobte seines Sohnes war.) Er kümmerte sich auch viel um seine Kinder, und einige der ersten echten Kinderporträts – unter anderem des verstorbenen eineinhalb Jahre alten Hannibal Gustavus – wurden auf seine Bestellung gemalt. Wie alle war er die Summe seiner Gegensätze. Eine Person, die ihm später begegnete, beschreibt Wrangel als «wohlerzogen, prachtliebend, freigebig, zu seinem Wort stehend, aber leicht reizbar und mit einer großen Schwäche für Frauen».
Mitte August traf die wichtige Botschaft aus Stockholm in Pommern ein.
3 . Vier Meilen bis Wien
Die Wiederaufnahme der Kämpfe auf deutschem Boden – Hungerkrieg – Gallas lässt Hunde töten – Französische Siege bei Rocroi und Freiburg – Die Verhandlungen kommen in Gang – Zeremonielles Getöse – Über analoges Denken – Die Probleme in Westfalen häufen sich – ‹Kämpfen und siegen!› – Die Schlacht bei Jankau. Über Artillerie – Ein entscheidender Sieg – ‹Der vollständige Untergang des Katholizismus droht› – Der Kaiser flieht aus Prag
Als die schwedische Armee im Herbst 1643 ihre kurvenreiche Bahn nach Norden gezogen und überraschend in Dänemark eingefallen war, schien es, als habe der große Strom des Kriegs plötzlich sein altes, gewohntes Flussbett verlassen:
Dieser Fluß ist ein sehr altes Tier,
sehr groß, sehr schwer, sehr gefährlich,
das wieder und wieder denselben Gedanken denkt.
So war die Natur des Kriegs, die Natur des neuen Kriegs in dieser neuen Zeit in Europa. Er floss dahin, bahnte sich neue Wege, kehrte um, gabelte sich, doch nur, um sich in stillen Mäandern wieder zu sammeln, verlor sich in einem Delta und fand
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